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Arztbrief: Glaukom

Unser Experte Duy-Thoai Pham ist Chefarzt der Abteilung für Augenheilkunde am Vivantes Klinikum Neukölln. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Augenärzten Berlins für die stationäre Behandlung eines Glaukoms am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).

ERKLÄRUNG Der Grüne Star ist eine Schädigung des Sehnervs, die durch eine mangelnde Durchblutung und eine erhöhte Druckbelastung verursacht wird. Im Auge befindet sich sogenanntes Kammerwasser, das unter anderem die Hornhaut und die Linse versorgt. Diese Flüssigkeit wird permanent in der hinteren Augenkammer gebildet, gelangt durch die Pupille in die Vorderkammer, um dort über einen kleinen Kanal aus dem Augeninneren abzufließen (siehe Grafik). Wenn dieser Abfluss jedoch gestört ist, steigt der Augeninnendruck an und führt zu typischen Veränderungen am Sehnerven. Das aber will die Medizin unbedingt vermeiden, denn diese Nervenschäden sind unumkehrbar.

Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann sie bis zur Erblindung führen. „Der Grüne Star ist daher eine schwerwiegende Augenerkrankung, die nicht mit dem einfacher zu behandelnden Grauen Star (Seite 30) verwechselt werden darf“, sagt Duy-Thoai Pham, Chefarzt der Abteilung für Augenheilkunde am Vivantes Klinikum Neukölln.

Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands schätzt die Zahl der an Glaukom erkrankten Menschen auf 800 000. Jedoch sei die Dunkelziffer deutlich höher, da viele der Betroffenen aufgrund des zunächst schleichenden Krankheitsverlaufs noch nichts von ihrer Erkrankung bemerkt hätten.

Die ungesund hohe Belastung (rote Pfeile) vor allem für den Sehnerven (1) entsteht, weil kontinuierlich im Auge gebildetes Kammerwasser (2) nicht mehr ungehindert abfließen kann. Diese Flüssigkeit, die unter anderem die Hornhaut (3) mit Nährstoffen versorgt, wird im Ziliarkörper (4) in der hinteren Augenkammer gebildet und normalerweise über den Schlemm'schen Kanal (5), einen kleinen Abfluss in der vorderen Augenkammer, wieder abtransportiert. Zur Behandlung eignen sich zunächst Medikamente, die den Kammerwasserabfluss verbessern oder die Kammerwasserproduktion hemmen.

© Fabian Bartel

SYMTOME Das Tückische am Grünen Star ist, dass er lange unbemerkt verläuft. Er tut nicht weh und auch die Sehkraft verschlechtert sich durch die fortschreitende Schädigung des Sehnervs nur langsam. „Das kann sich über Monate oder Jahre hinziehen“, sagt Pham.

Aber nicht immer schleicht sich der Grüne Star unbemerkt an: „Bei rund fünf Prozent der Patienten kommt es plötzlich zu einem akuten Glaukom-Anfall.“ Dabei sind die Abflusskanälchen plötzlich verschlossen. Der Augeninnendruck steigt dramatisch an und löst Schmerzen aus, die sich zu einer Migräne-ähnlichen Attacke auswachsen können, verbunden mit Übelkeit und Erbrechen.

URSACHEN Eine Kurzsichtigkeit, Gefäßverkalkungen oder Rauchen können ein Glaukom begünstigen. Für einen Glaukom-Anfall sind vor allem Menschen mit kleinen Augen und Weitsichtigkeit anfällig, denn sie haben durch die Anatomie meist sehr enge Abflusskanäle für das Augenwasser. Auch das Alter spielt eine Rolle, denn in reiferen Jahren wird die Augenlinse dicker. Das erhöht das Risiko, dass die direkt dahinter liegenden Abflusskanäle abgedrückt werden.

DIAGNOSE Lange Zeit orientierte man sich an Referenzwerten zwischen 14 und 21 Millimetern Quecksilbersäule (mmHg), der Einheit, mit der auch der Blutdruck gemessen wird. „Heute weiß man jedoch, dass nicht die Werte allein sicher auf ein Glaukom hindeuten, sondern dass der Augenarzt immer auch den Sehnerv am Augenhintergrund durch eine weitgetropfte Pupille beurteilen muss“, sagt Pham. Die Referenzwerte seien insofern irreführend, als heute bis zu 40 Prozent aller Patienten mit Grünem Star an einem sogenannten Normaldruck-Glaukom leiden - also an einer Sehnervenschädigung trotz eines nach alter Definition normalen Augeninnendrucks.

Standardmäßig gehören zu einer Glaukom-Diagnostik zunächst eine Sehschärfenbestimmung und eine Beurteilung beider Augen an der Spaltlampe, dem Untersuchungsgerät, an dem der Arzt auch den Augendruck messen kann. Außerdem kann er mit der Spaltlampe und Lupen seinem Patienten bei einer durch spezielle Tropfen geweiteten Pupille ganz tief in die Augen schauen: „Dann ist es möglich, die Netzhaut, Blutgefäße und den beim Glaukom-Verdacht besonders wichtigen Sehnerv zu beurteilen“, sagt Augenarzt Pham. Außerdem wird das Gesichtsfeld des Patienten an halbkugelförmigen Automaten, in denen Lichtpunkte aufblitzen, vermessen. Auch Laseruntersuchungen, die die Hornhautdicke messen oder den Sehnerv scannen, stehen heute zur Diagnostik zur Verfügung.

Für eine ausführliche Glaukom-Diagnostik verbringen die Patienten eine Nacht im Krankenhaus, damit der Augendruck im Tagesverlauf mindestens dreimal gemessen werden kann. Die meisten Patienten werden auch einer 24-Stunden-Blutdruckmessung unterzogen, damit andere Probleme wie Herzkreislauferkrankungen miterfasst werden können.

THERAPIE Steigt der Innendruck auf ein für den Sehnerv gefährliches Niveau, dann geht es zunächst einmal darum, den Druck abzusenken. Die Mittel - meist handelt es sich um Augentropfen - müssen ein Leben lang je nach Präparat ein- bis dreimal täglich zu festen Uhrzeiten angewendet werden, um den Druck auf Normalmaß zu halten. Die Arzneien erhöhen entweder den Abfluss des Wassers oder vermindern dessen Produktion. Doch das ist nur ein Etappensieg. „Der Grüne Star ist eine chronische Krankheit“, sagt Pham - und die Medikamentenwirkung begrenzt. Wenn Nebenwirkungen wie etwa Bindehautreizungen, Wimpernwachstum, Trockenheits- und Druckgefühle oder gar Kreislaufbeeinträchtigungen auftreten oder die Mittel nicht mehr zur Drucksenkung ausreichen, kann es Zeit für eine Glaukom-Operation werden.

Diese Eingriffe werden in den meisten Fällen stationär und bei lokaler Betäubung durchgeführt. „Ziel der meisten Operationsverfahren ist die Senkung des Augendrucks durch einen verbesserten Kammerwasserabfluss“, sagt Pham. Dazu wird der Abfluss mithilfe von Laser oder mit chirurgischen Schnitten geweitet oder aus Strukturen des Auges eine Art Ventil gebildet. Eine Hitze- oder Kälteverödung des Ziliarkörpers, der das Kammerwasser produziert, sei eine weitere Option.

Nach einer Glaukom-Operation kann der Druck auch über Jahre abgesenkt bleiben, wodurch man zunächst nicht mehr auf Tropfen angewiesen ist. Trotzdem müssen zwischenzeitlich regelmäßige Nachuntersuchungen erfolgen.

Auch Patienten mit einem Normaldruck-Glaukom sollten einer drucksenkenden Operation unterzogen werden, sagt Pham. „Bei ihnen gehen wir davon aus, dass deren individueller Druck immer noch zu hoch für ihren sehr empfindlichen Sehnerven ist.“

Mit allen therapeutischen Methoden wird in erster Linie das Fortschreiten der Krankheit verhindert. „Wir wissen mittlerweile, dass besonders Patienten, bei denen man frühzeitig sowohl einen Grünen als auch Grauen Star erkennt, von einer Operation profitieren“, sagt Chefarzt Pham: „Dabei tauscht man bei einem Eingriff die eingetrübte Augenlinse aus und setzt im gleichen Eingriff einen Mikro-Stent in die Augenarterie zur besseren Durchblutung gegen das Glaukom ein.“ Die Langzeitergebnisse seien in solchen Fällen vielversprechend, wenngleich eine komplette Heilung auch bis heute leider noch nicht möglich ist. Jedoch könne man mittlerweile die Augenkrankheit auch über Jahrzehnte auf ein solches Maß eindämmen, dass das normale Sehen gar nicht bis nur kaum beeinträchtigt werde.

PRÄVENTION  Wie viele andere Mediziner rät auch Pham angesichts des lange unbemerkt bleibenden Krankheitsverlaufes zu einer regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung, da bei etwa zehn Prozent der Bevölkerung über 40 Jahren ein erhöhter Augeninnendruck auftreten kann. „Ab dem 45. Lebensjahr oder dann, wenn man eine Lesebrille als Zeichen der natürlichen Alterung benötigt, ist eine jährliche Kontrolle sinnvoll.“

Ob ein flächendeckendes Screening des Augeninnendruckes in Deutschland eingeführt werden sollte, wird in Expertenkreisen immer wieder heiß diskutiert - immerhin rechnen viele Augenärzte diese Augendruckmessung als Selbstzahlerleistung ab und kassieren dafür um die 20 Euro. Besteht allerdings ein ärztlicher Verdacht auf einen Grünen Star, kommt die Kasse für die Vorsorge auf.

„Mit den modernen Untersuchungsmethoden lassen sich die Schäden des Sehnervs sehr exakt diagnostizieren und überwachen“, sagt Pham. Behandelt werden muss dann, wenn sich die Befunde verschlechtern. Eine genaue Untersuchung beim Augenarzt empfiehlt sich außerdem, wenn starke Druckschwankungen im Tagesverlauf und gehäufte Fälle von Grünem Star in der Familie bereits bekannt sind.

Ein hoher Blutdruck sorgt nicht automatisch für erhöhte Augendruckwerte, kann aber ebenso wie sehr niedriger Blutdruck das Risiko für ein Normaldruck-Glaukom erhöhen.

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

Leonard Hillmann

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