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Der Präsident der Türkei, Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© REUTERS

Trauerfreier für Muhammad Ali in Louisville: USA lassen Erdogan abblitzen

Der türkische Präsident wollte sich bei den Trauerfeiern für Boxchampion Ali in Kentucky als Vertreter der Muslime profilieren. Doch Erdogan wurde abgewiesen - und zu Hause warten schlechte Nachrichten.

Die Türkei als einflussreicher Akteur zwischen Europa, Nahost und Zentralasien und als islamische Führungsmacht – so sehen Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Anhänger ihr Land. Die ganze islamische Welt blicke auf die Türkei, sagte der Präsident kürzlich. Doch Erdogans Macht- und Geltungsanspruch stößt international an Grenzen. Zornig kehrte der türkische Präsident am Freitag vorzeitig von der Trauerfeier für den US-Boxer Muhammad Ali zurück – Erdogan hatte gehofft, sich bei der Zeremonie als Vertreter der Muslime profilieren zu können, scheiterte aber mit seinem Vorhaben.

Ali war für Muslime weltweit ein Vorbild, und auch Erdogan hatte den vergangene Woche gestorbenen US-Sportler wegen dessen selbstbewusstem Eintreten für den Islam als Vorbild gelobt. Die regierungsfreundliche Presse in der Türkei feierte Ali als „Faust des Islam“ und verglich Erdogan mit dem ebenso erfolgreichen wie furchtlosen Boxer. Auch deshalb war Erdogan nach Kentucky geflogen, um zusammen mit dem jordanischen König Abdullah dort die islamische Welt zu vertreten. Doch in Louisville legte man offenbar keinen gesteigerten Wert auf den türkischen Präsidenten.

Erdogan wollte aus Koran zitieren

Zuerst wurden Erdogan und Abdullah von der Rednerliste der Trauerfeier gestrichen. Daraufhin bat Erdogan darum, am Sarg des Boxers ein Stück vom Stoff der Kaaba – des höchsten islamischen Heiligtums in Mekka – ablegen und einige Verse des Koran rezitieren zu dürfen. Auch dieser Wunsch Erdogans wurde abgewiesen, wie türkische Medien berichteten. Daraufhin habe der Präsident verärgert den Abbruch des Besuchs und die vorzeitige Heimkehr in die Türkei angeordnet. Am Rande der Visite lieferten sich Erdogans Leibwächter ein kurzes Gerangel mit Mitgliedern des US-Personenschutzes.

Zu Hause in der Türkei warten neue schlechte Nachrichten auf Erdogan. Die kurdische Extremistengruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), eine Organisation aus dem Dunstkreis der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), bekannte sich zu dem Selbstmordanschlag vom Dienstag, bei dem in Istanbul elf Menschen ums Leben kamen. Zudem warnte die TAK ausländische Urlauber davor, ihre Ferien in der Türkei zu verbringen: Das Land sei nicht sicher. Schon vor der jüngsten Gewalttat waren die Besucherzahlen in der Türkei wegen Terroranschlägen und der Krise mit Russland um rund 30 Prozent abgesackt.

Jeden Tag sterben Menschen bei Gefechten in der Türkei

Erdogan setzt im Konflikt mit der PKK ganz auf Härte, doch zumindest bisher ist keine Lösung des Problems in Sicht. Stattdessen sterben fast jeden Tag Menschen bei Gefechten und Anschlägen. Erdogans Premier Binali Yildirim berichtete jetzt zwar von Gesprächsangeboten der Kurdenrebellen, fügte aber hinzu, die Regierung werde nicht verhandeln.

Und nun werden auch Zweifel an Erdogans Kurs im Streit mit Deutschland in der Armenierfrage laut. Mit seiner scharfen Rhetorik hat Erdogan bei seinen Anhängern die Erwartung harter Sanktionen wegen der Anerkennung des Armenier-Völkermordes durch den Bundestag geweckt – doch in Wirklichkeit wisse die Regierung wohl nicht so recht, was sie tun solle, schrieb der Kolumnist Mehmet Yilmaz am Freitag in der „Hürriyet“. Nur eines sei auch Erdogan klar, was die Frage möglicher Maßnahmen gegen den wichtigen Handelspartner und EU-Führungsstaat Deutschland angehe: „Er weiß, dass seine Handlungsmöglichkeiten sehr begrenzt sind.“ Dem stimmt auch der deutsch-türkische Unternehmer Kemal Sahin zu. Die Türkei sei viel zu sehr von Deutschland abhängig, um sich Wirtschaftssanktionen gegen die Bundesrepublik leisten zu können, sagte er dem türkischen Nachrichtensender NTV.

Wo könnte ein Ausweg für Erdogan aus der unangenehmen Situation liegen? Presseberichten zufolge erwartet die türkische Führung um Erdogan eine offizielle Erklärung der deutschen Bundesregierung, in der Kanzlerin Angela Merkel unterstreicht, dass sie sich nicht an die Völkermords-Resolution durch den Bundestag gebunden fühlt. Auch nach entsprechenden Parlamentsentscheidungen in anderen EU-Staaten zur Armenierfrage hätten die dortigen Regierungen mit solchen Stellungnahmen das Verhältnis zur Türkei wieder entkrampft, hieß es in den Berichten. Ob Berlin diesen Wunsch Erdogans erfüllen wird, ist jedoch offen.

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