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Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat.

© dpa

Die Wahlkampfbeobachter (2): Die ostdeutsche Karte

Mit seiner Bemerkung über Merkels Herkunft und ihre deshalb angeblich fehlende Leidenschaft für Europa hat Peer Steinbrück ungeschickt die ostdeutsche Karte gespielt - und Angela Merkel einen unverhofften Triumph zugeschoben.

Angela Merkel ist übrigens geboren in Hamburg. Genau wie Peer Steinbrück. Aber das nur ganz nebenbei.

Zur Hauptsache: Angela Merkel zeigt keine Leidenschaft für Europa. Da hat Peer Steinbrück ja recht. Denn die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland achtet in der Dauerkrise vor allem aufs Geld, was die meisten Deutschen durchaus zu schätzen wissen. Visionen für eine neue europäische Idee oder zumindest ein paar Konzepte für die verarmende Jugend Südeuropas oder Rezepte gegen demokratische Rückentwicklungen in Osteuropa sind von ihr nicht zu hören. Aber hat dieses fehlende Glühen für Europas Sterne wirklich damit zu tun, dass die DDR nicht Teil der Montanunion war, die zur Europäischen Gemeinschaft anwuchs, die sich wiederum zur Europäischen Union auswuchs? Und damit Angela Merkel als angelernte DDR-Bürgerin nicht Teil dieser institutionellen Entwicklung sein konnte?

Wahlkampfbeobachter.
Wahlkampfbeobachter.

© Cicero/Daxer

Nein, natürlich nicht, rufen nun alle außer Peer Steinbrück in die politische Arena (oder schweigen beredt, wenn sie zufällig Mitglied in Steinbrücks Partei sind). Sogar die Linkspartei, die sich gerade wieder zum antiwestdeutschen Schutzwall zurückentwickelt, springt Merkel im Namen aller beleidigten Ossis zur Seite. Wer hätte das gedacht: Der Osten ist wieder eins mit der Kanzlerin, die so lange im Nichtsreden über ihre eigene Vergangenheit übte und daher in ihrer Geburtsstadt fast mehr geliebt wird als in ihrer eigentlichen Heimat.

Nun hat Steinbrück ungeschickt die ostdeutsche Karte gespielt – und damit Angela Merkel einen unverhofften Trumpf zugeschoben. Sie darf nun ungestraft als eine dieser armen Ostdeutschen angesehen werden, der man wegen ihrer Herkunft bestimmte Eignungen abspricht. So wie Michael Ballack, der wegen seines Fußballtrainings in Karl-Marx-Stadt angeblich nicht in der Lage gewesen sein soll, eine Mannschaft anzuführen. Merkel, als Bundeskanzlerin schon auf halber Helmut-Kohl-Marathonstrecke angekommen und inzwischen vor allem wegen ihres Erfolges gegen mächtig viele ohnmächtige Männer beliebt, hat zumindest diesen Vorwurf aus der Welt geräumt. Und Steinbrücks Europa-Vorwurf kann sie locker mit einer Gegenfrage kontern: Wie viel Leidenschaft entwickelt eigentlich der Herr Vortragsmillionär von der SPD für den Osten Deutschlands? Hier entscheiden viele gerade für Vergangenheiten sensible Seelen die Wahl mit. Wichtiger noch: Sie entscheiden sie.

Helmut Kohl hat verloren geglaubte Bundestagswahlen im Osten gewonnen und ist dann wegen seiner Einheits-Arroganz vor allem am Meinungsumschwung zwischen Ostsee und Erzgebirge gescheitert. Gerhard Schröder hat mit seinem kumpeligen Vom-Arbeiter-zum-Aufsteiger-Habitus und als zupackender Fluthelfer viele Herzen in den damals noch jungen Bundesländern erobern können und sie dann mit den zu schlecht erklärten Hartz-IV-Reformen wieder erkalten lassen. Im alten Osten gibt es nach wie vor mehr unentschlossene Wähler als im neuen Westen; hier können Wahlen noch eher umentschieden werden. Jedes abfällige Wort über die Ostdeutschen könnte zu abfallenden Werten in der Wahlkabine führen. Noch hat der SPD-Kanzlerkandidat keine Leidenschaft für Ostdeutschland entwickeln können. Liegt’s vielleicht an seiner Hamburger Herkunft?

Am Freitag ist Peer Steinbrück übrigens an der Ostseeküste auf Ostdeutschland-Tour. Hier ist auch Angela Merkels Wahlkreis. Aber das nur ganz nebenbei.

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