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Kreuzberg: US-Botschafter Murphy - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren studierte US-Botschafter Murphy die türkische Kultur mit dem Grünen Özcan Mutlu. Was Frau Binder darüber schrieb.

Der amerikanische Botschafter hat heiße Ohren. „Glühen sie noch?“, fragt er seine Frau Tammy beim Überqueren der Oranienstraße. Der Flammeneinsatz des türkischen Coiffeurs Selim hat den Scherz des Tages geliefert für ihre Kreuzberger Shoppingtour. Im blauen Kittel hatte der Botschafter eigentlich nur Platz genommen, um sich die Nacken- und Schläfenhaare stutzen zu lassen. Mit der offenen Flamme werden Ohrenhaare bekämpft. Die Securityleute immerhin blieben ganz cool.

Der bildungspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Özcan Mutlu, hatte Philip Murphy und seine Frau Tammy zu dem Rundgang eingeladen, um ihnen Alltag und Kultur der in Kreuzberg lebenden Türken näherzubringen. Für den Botschafter war das nicht nur eine Chance zur Information. Bereits bei seinen Vorgängern hatte die Verbesserung des Verhältnisses zur Türkei eine hohe Prioritätsstufe. Während der Botschafter noch mit Kindern in der Aziz-Nesin-Schule spricht, versammeln sich am Obststand am Kottbusser Tor Fotografen. Hier ist die erste Station dieser gut vorbereiteten Tour, die auf Passanten wie eine Mischung aus Miniatur-Staatsbesuch und Hollywoodfilmdreh wirken muss. Wer fährt in Kreuzberg schon mit einer Limousine mit Blaulicht und zwei Minivans im Gefolge beim Gemüsestand vor?

Der Botschafter, der für Obama das Geld für den Wahlkampf zusammengetrommelt hat, ist ein Großmeister im Gute-Laune-Verbreiten. „Sprechen Sie auch Deutsch?“, fragt er, als Akin Azik seinen englischen Begrüßungssatz aufgesagt hat. Frau Tammy kauft Erdbeeren und Tomaten. In der Bäckerei muss er Sesamgebäck kosten. „Ich werde 30 Kilo zunehmen“, lacht der Botschafter und verteilt die Reste an seine Mitarbeiter. Wovon die nichts wissen: Murphys Sohn ist gerade auf Klassenausflug im Kreuzbergmuseum. Spontaner Stopp, großes Hallo: „Genießt den Tag!“ Bei Blumen Dilek bleibt die Karawane nur kurz, dann geht’s ins Restaurant Hasir. Als Mutlu den Ruhm der Restaurantkette erläutert, drückt der Chef des Hauses dem Botschafter einen blitzenden Säbel in die Hand. Es wäre doch sicher gut für ihn, wenn er mal Döner schneiden üben könnte. Murphy nimmt den Säbel und schneidet behutsam Scheiben von dem riesigen Drehspieß ab. Wieder draußen bleibt Mutlu vor der „China Box“ stehen, erzählt, wie der türkische Besitzer in einem Hollywoodfilm gesehen habe, wie die Leute Nudeln aus Pappboxen aßen. Er habe das Konzept kopiert und auf 50 Läden in ganz Deutschland übertragen. Dank Hollywood! „Das ist fantastisch“, kommentiert Murphy diese amerikanisch klingende Erfolgsstory.

Bevor es mit den Autos weitergeht, kaufen die Murphys getrocknete Früchte bei Smyrna. „Ehrfurchtgebietend“, findet der Botschafter die Auswahl an Früchten und Nüssen und zückt ein Bündel Geldscheine. Zum wiederholten Male muss Mutlu erklären, dass der besondere Gast keine Geschenke annehmen darf: „Das sind die amerikanischen Vorschriften.“ Zum Schluss wird noch Kaffee serviert. „Wunderbar“, sagt Murphy. „Heiß wie meine Ohren.“

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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