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Der Kläger. Das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz geht heute gegen den Rechtsanwalt vor.

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Update

Prozess um Dumpinglöhne: 1,60 Euro je Stunde sind keine Ausbeutung

Ein Brandenburger Rechtsanwalt, der seinen Bürohilfen 100 Euro Monatslohn gezahlt hat, ist kein Ausbeuter. Dies bescheinigte ihm jetzt das Arbeitsgericht Cottbus.

Im Lohndumping-Streit über Bezüge von Bürokräften eines Brandenburger Rechtsanwalts hat eine Arbeitsagentur vor Gericht eine Niederlage erlitten. Das Arbeitsgericht Cottbus wies am Mittwoch die Klage des Jobcenters Oberspreewald-Lausitz gegen den Juristen wegen angeblicher Ausbeutung von Mitarbeitern zurück. Der Anwalt hatte in seiner Kanzlei in Großräschen zwei Bürokräfte für Stundenlöhne von 1,54 beziehungsweise 1,65 Euro beschäftigt. Diese Löhne seien zwar auch in strukturschwachen Regionen wie der Niederlausitz sittenwidrig, urteilte das Gericht, der Anwalt habe aber nicht ausbeuterisch gehandelt.

Der Anwalt habe eine Gefälligkeit geleistet

So hätten die Beschäftigten auf eigenen Wunsch unter diesen Konditionen angefangen, um erst einmal wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen. Der Anwalt habe keinen wirtschaftlichen Vorteil durch die Einstellung erzielt. Es sei eher eine „Gefälligkeit“, eine „gut gemeinte Leistung“ gewesen, meinte der Vorsitzende Richter der 13. Kammer des Arbeitsgerichts in Senftenberg.

Beide Beschäftigten kamen nur über die Runden, weil sie zusätzlich zu ihrem Lohn Aufstockerleistungen vom Staat erhielten. Das Jobcenter wollte von dem Anwalt daher Sozialleistungen in Höhe von 4100 Euro zurückhaben. Das Gericht wies die Klage zurück: Mit sechs ausgelasteten Vollzeitbeschäftigten habe es der Anwalt nicht nötig gehabt, zwei weitere Beschäftigte einzustellen. Unterm Strich hätten sich für ihn eher Mehrkosten ergeben. Vertreter des Jobcenters zeigten sich nach dem Urteil überrascht und kündigten an, Rechtsmittel zu prüfen.

Andere Arbeitgeber könnten das Urteil nun möglicherweise als „Schutzbehauptung“ anwenden, um Beschäftigte generell mit Billiglöhnen abzuspeisen, hieß es zur Begründung. Sie müssten bloß angeben, die Mitarbeiter gar nicht unbedingt im Betrieb zu brauchen. Wenn das Geld nicht zum Leben reicht, zahlen die Jobcenter den sogenannten Aufstockern noch etwas hinzu – aus Steuermitteln. In Berlin war dies im vergangenen Jahr in rund 100 000 Fällen so, in Brandenburg erhielten etwa 60 000 Menschen Unterstützung.

Urteil sei eine Einzelfallentscheidung

Das Gericht hob dagegen hervor, bei dem Urteil handele es sich um eine Einzelfallentscheidung „ohne jegliche Präzedenzwirkung“. Im Oktober hatte das gleiche Gericht zwei Unternehmer aus Lübbenau verurteilt, weil sie einen Verkäufer für 2,84 Euro die Stunde beschäftigten. Das Jobcenter Uckermark wiederum klagte erfolgreich gegen einen Pizza-Lieferservice, der seinen Mitarbeitern zwischen 1,59 und 2,72 Euro die Stunden zahlte.
In Zukunft könnte die Zahl der Klagen wegen Lohndumpings sinken, sagte eine Gerichtssprecherin. Grund sei der von der Bundesregierung geplante gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. Allerdings sind dabei Ausnahmen vorgesehen, unter anderem für Langzeitarbeitslose. (dpa)

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