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Berlin: 20 Grad – die Stühle bleiben draußen

Wetterrekord in Berlin: Auch heute soll es warm werden. Biergärten haben immer länger geöffnet

Vogelzwitschern, Wespensummen, Biergartenlaune: Am Sonntag gab es in Berlin Sommer mitten im Herbst. 20,4 Grad und Sonnenschein – diese Wetterkoordinaten versetzten die Stadt in Hochstimmung. Die Meteorologen maßen den wärmsten 24. Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Dahlem anno 1908. Dass der Sommer pünktlich zum Wochenende noch einmal zurückkam, freute vor allem die Gastronomen: Die Leute strömten in die Restaurants und setzten sich nach draußen. Mit Hilfe von Caféterrassen und Biergartentischen erzielten viele vom Tagesspiegel befragte Wirte nach eigenen Angaben doppelt so viel Umsatz mit Milchkaffee und Hefeweizen, mit Frühstück, Brunch und Mittagstisch wie an einem üblichen Sonntag Ende Oktober.

So viel Anlaufschwierigkeiten der Berliner Sommer hatte, so schwer fiel offenbar der Abschied. „Normalerweise sind jetzt Temperaturen um elf Grad“, sagt Susanne Danßmann, Meteorologin bei Meteomedia. An hartnäckigen Tiefdruckgebieten über England vorbei wurde warme Luft aus Südwesteuropa hergeweht. 19,9 Grad in Potsdam – auch das ein Rekord. Ebenso die Nachttemperaturen um 15 Grad. Am Montag wird aber mit bis zu 20 Grad das Warmwetterfinale erwartet, dann geht es bis Mittwoch schrittweise abwärts bis auf den Normalwert. Doch gestern tankten alle nochmal Sonne.

Das Gefühl, dass es nun wirklich bald mit der Sonne vorbei ist, bewege viele Gäste, sich nach draußen zu setzen, sagt Fritz Roeder, Geschäftsführer vom Wirtshaus Moorlake in Wannsee. Auch wenn es angesichts manch kalter Tage zwischendurch „absurd aussah, die Stühle draußen zu lassen“ – gestern waren sie voll. Roeder: „Wir hatten 100 Prozent mehr Umsatz als üblich.“ Doppelt so viel Umsatz – diese Bilanz zog auch Uschi Mühlbauer, Leiterin vom Restaurant „Die Menardie“ gegenüber dem Kanzleramt. Weil sie den Wetterbericht studiere, dementsprechend bestelle und alle Schichten zum Dienst gebeten hatte, habe kein Kunde länger warten müssen als sonst. Frau Mühlbauer stammt aus München, und weil die Berliner den Münchnern in punkto Biergartenmentalität nicht nachstünden, bleibt der Garten unter der 130 Jahre alten Kastanie auch „im Winter mit Heizpilzstrahlern“ geöffnet.

„Die Berliner sitzen gern draußen bei Wind und Wetter“, hat eine Wahlberlinerin im „Nola’s am Weinberg“ in Mitte beobachtet. Die 26-Jährige feiert auf der Terrasse mit Freunden aus Hamburg einen Geburtstag nach. Am Tisch nebenan stoßen drei Frauen mit Sekt an: Aufs Wetter, und auf den Abschied. Eine zieht es der Liebe wegen ins „graue Hamburg“, eine andere folgt den Gefühlen bis nach Manchester. Gute Stimmung bei den Gästen, beste Laune bei den Gastronomen: „Nola’s“-Chefin Ute Sedelies hat wegen der Umsatzdoppelung ein Drittel mehr Personal einbestellt. Im Winter gebe es übrigens Schweizer Armeedecken zum Einkuscheln für draußen.

Berlins Gastronomie – rund ums Jahr Open Air geöffnet? Diesen Trend bestätigt Karl Weißenborn, früherer Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes. All die Kneipen mit Sand am Boden, die vielen Strandbars und jetzt die Heizstrahler draußen an fast jeder Ecke – die Berliner holen sich den Süden in die Stadt.

Annette Kögel

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