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Ralf Treptow und Hinrich Lühmann vor dem Haupteingang des Humboldt-Gymnasium.

© Fabiana Zander Repetto

25 Jahre Deutsche Einheit: Zwei, die sich gut benoten

Als Leiter von Partnerschulen in Ost und West lernten sie sich kennen – und wurden Duzfreunde.

„Meine Oma wohnte in Reinickendorf, aber ich wusste nicht, wo das lag.“ Solche Sätze fallen, wenn man über Mauerfall und Wiedervereinigung spricht. Jedenfalls von Menschen, die im Ostteil der Stadt erst nach dem Mauerbau geboren wurden und zur geographischen Orientierung nur die Stadtpläne aus DDR-Produktion hatten: Auf ihnen kam der Westteil der Stadt nur als weiße Fläche vor. Der Mann, der Reinickendorf nicht zuordnen konnte, heißt Ralf Treptow und war 14, als seine Großmutter als Rentnerin in den Westen ausreisen durfte. Das war 1974, und er lebte in Pankow.

Heute ist er 55 Jahre und sitzt mit Hinrich Lühmann, 71, im Reinickendorfer Rathaus, um zu erinnern, wie es damals nach der Wende war, als sie Freunde wurden. Die meisten dieser Ost-West-Freundschaftsgeschichten fangen ja nicht damit an, dass man sich am 9. November auf der Bornholmer Brücke in die Arme fiel. Bei Treptow und Lühmann begann alles damit, dass ihre Bezirke Pankow und Reinickendorf nach der Wende zu Partnerbezirken bestimmt wurden. Die Kooperationen zwischen Ost und West sollten die Wiedervereinigung vorantreiben und die Menschen miteinander ins Gespräch bringen – auch auf Verwaltungsebene.

„Das war menschlich interessant und bereichernd“

Lühmann war damals Leiter des Humboldt-Gymnasiums in Tegel. „Ich übernahm Fortbildungen im Fach Deutsch und guckte in steinerne Gesichter“, erinnert er sich. Bald kam jemand im Senat auf die Idee, nicht nur Bezirke, sondern auch Schulen zu verpartnern. Das bedeutete, dass Lehrer und Pädagogische Koordinatoren ausgetauscht wurden, dass man gegenseitig den Abiturvorsitz übernahm und überhaupt versuchte, sich näher zu kommen. Dem Humboldt-Gymnasium wurde in diesem Zuge das Rosa-Luxemburg-Gymnasium zugeordnet, an dem Ralf Treptow nach der Wende Schulleiter wurde.

„Unsere Lehrer haben gegeneinander Volleyball gespielt. Das war ein Versuch, die Fremdheit zu überwinden“, berichtet Lühmann über die ersten Monate als Partnerschulen. Bald wurden die Beziehungen enger, weil viele Pädagogen hin und her wechselten, weil es gemeinsame Vorstellungen darüber gab, was ein Gymnasium leisten sollte, und weil beide Schulen sich für die Begabtenförderung stark machten. „Das war menschlich interessant und bereichernd“, beschreibt Lühmann diese Zeit. Als er 1994 mit seiner Familie und Freunden seinen 50. Geburtstag feierte, kam Treptow erstmals dazu: „Seither sind wir Duzfreunde“.

Ein sturer Demokrat

„Ich hatte nie das Gefühl, dass Hinrich mir etwas erklären wollte, was ich bitte schön umsetzen sollte“, sagt Treptow Schon darum verstanden sich die beiden Schulleiter von Anfang gut: „Wir haben Normalität auf Augenhöhe gestaltet.“ Auch Lühmann muss nicht lange überlegen, warum aus ihm und Treptow so ein gutes Gespann wurde:

„Wir teilen dieselben Bildungsvorstellungen. Ich schätze ihn als Lehrerpersönlichkeit und als sturen, widerständigen Demokraten.“ Das Sture und Widerständige hat vielleicht damit zu tun, dass Ralf Treptow, der Oberstudiendirektor, selbst zunächst kein Abitur machen sollte, obwohl er ein Spitzenschüler war.

Empfindlich bei Ungerechtigkeiten

Den DDR-Oberen gefiel nicht, dass sein Vater selbständiger Schornsteinfegermeister war und kein „Werktätiger“. Das mit der Zulassung zur Oberstufe klappte dann nur über einen Eignungstest an einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Oberschule, an der es mehr auf Leistung als auf den richtigen „Klassenstandpunkt“ ankam.

Diese Erfahrung hat ihn geprägt. Bis heute reagiert Treptow empfindlich auf Ungerechtigkeiten oder auf Vorgesetzte, die Willkür ausüben. Sein Kampfgeist hat ihn an die Spitze der Vereinigung der Oberstudiendirektoren gebracht, wo er sich schulpolitisch Gehör verschafft. Und auch Lühmann mischt schulpolitisch gern mit – am liebsten in der CDU, für die er, obwohl parteilos, den BVV-Vorsitz in Reinickendorf innehat. Schulpolitik in Berlin hat daher oft mit dem Ost-West-Gespann Lühmann/Treptow zu tun.

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