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Das alte Fachwerkhaus an der Bahnstrecke Paris-Moskau feiert rundes Jubiläum: 30 Jahre, 220 Flaschen

Den runden Geburtstag des traditionsreichen Restaurants Paris-Moskau wollen auch viele prominente Stammgäste feiern

Als Wolfram Ritschl das alte Fachwerkhaus am Lehrter Bahnhof 1984 kaufte, um dort ein Restaurant zu betreiben, stand es noch ziemlich einsam im Schatten der Mauer. Die Vorbesitzer waren misstrauische Leute und bestanden auf Barzahlung in kleinen Scheinen. Deshalb musste Ritschl damals 210 000 DM in Hundertmark-Scheinen von der Deutschen Bank am Ernst-Reuter-Platz nach Alt-Moabit bringen. „In einer Aldi-Tüte“, erinnert er sich. „Das ist immer eine gute Tarnung.“ Vorher hatte er sich bei der Verwaltung des Reichsbahnvermögens zusichern lassen, dass er das Grundstück auch pachten konnte.

Das russische Restaurant „Josef“, das er im August 1984 eröffnete, lief nicht so gut. Die nächste Phase begann am 30. April 1987 unter dem Namen „Paris-Moskau“. Und die ist nun schon seit 30 Jahren erfolgreich, weshalb am Sonntag mit vielen Gästen Jubiläum gefeiert wird.

Komplett veränderte Nachbarschaft

Die Nachbarschaft ist nicht mehr wiederzuerkennen. Ritschl hat viele Jahre unter Bauarbeiten gelitten, vor allem unter den Arbeiten am Hauptbahnhof. Und das Innenministerium hat ihm auch viel Kopfzerbrechen bereitet, zumal das alte Fachwerkhaus einige Risse davongetragen habe. Immerhin konnte er es verteidigen gegen alle Unkenrufe, dass sein Restaurant größeren, wichtigeren Vorhaben weichen müsse. Als Gaststätte eingerichtet hat es 1898 Gustav Jahn, der auf dem Hamburger Bahnhof eine Limonadenbude betrieb. Damals war die „Kindl Stube“ eine ganz einfache Gaststätte. Nach dem 1. Weltkrieg übernahmen die Betreiber der Gastronomie „In den Zelten“. Die Schlacht um den Reichstag hat das Haus überlebt, später wurde es wieder als Kneipe geführt. Wolfram Ritschl ist ganz stolz darauf, erst der 4. Besitzer zu sein. Er modernisierte das Haus von Grund auf, übertrug die Innengestaltung einer Malerin. Oben gibt es Räume für Feierlichkeiten, unten ein elegant gemütliches Restaurant. „Bei mir sind sie alle vorbeigekommen, die Queen, Könige, Präsidenten und auch die Fußballweltmeister“, erinnert er sich.

Vom Ende der freien Welt in die Mitte des Politikbetriebs

Zum Jubiläum eingeladen sind nicht nur Prominente, sondern auch Concierge und langjährige Weggefährten aus der Gastronomie. Ritschl erinnert sich noch gut, wie enttäuscht die Ost-Berliner von der düsteren, einsamen Umgebung waren, die in der Nacht zum 10. November 1989 in seinem Restaurant nach dem Weg zum Ku’damm fragten. Damals war kaum vorstellbar, dass dieses Haus einmal umgeben sein würde von hochmodernen Gebäuden wie dem Kanzleramt, dem Hauptbahnhof und dem Innenministerium. Moabit, das war damals doch fast das Ende der (freien) Welt. Kulinarisch war es freilich ein Lichtblick in Aufbruchszeiten. „Jeunesse dorée in Moabit“, so begann die Restaurantkritik, die am 17. Februar 1989 im Tagesspiegel erschien. Es gab gebratene Entenleber mit Orangen, Seezungenfilets in Langostinobutter, Stubenküken und exotische Früchte, vier Gänge für 65 DM.

Heute gibt es neben feinen französischen Spezialitäten wie Jakobsmuscheln mit buntem Algensalat und Liebesfrucht auch Currywurst vom Apfelschwein mit Süßkartoffel-Pommes-Frites, eigentlich ein bisschen gegen die Überzeugung des Besitzers, aber „die sind halt ein Renner“. Die Weinkarte bietet 220 Flaschen aus 13 Ländern in allen Preisklassen. Und Bier gibt es natürlich auch, das gehört zur Tradition. Zu den Stammgästen gehören viele Spitzenpolitiker. Ritschl, inzwischen Vater von vier Kindern, möchte auch das russische Ende wieder stärken mit Pelmeni oder Blini. Beim Geburtstagsfest will er das schon mal ausprobieren. Elisabeth Binder

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