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Weddinger Anfänge. Begründer Martin Düspohl im Einsatz an der Wiesenburg.

© promo

30 Jahre "Stattreisen": Auf Entdeckungstour in der eigenen Stadt

Die ersten organisierten Stadtführer Berlins feiern sich: Seit 30 Jahren führen die Berlin-Erklärer von „Stattreisen“ durch die Straßen. Sie wollen vor allem eins: den Einwohnern ihre Stadt näher bringen.

Der Name war Programm und ist es auch heute noch, nach 30 Jahren: „Stattreisen“ feiert am 18. März Jubiläum, und Geschäftsführer Jörg Zintgraf sagt: „Unser Angebot richtet sich nicht nur an Touristen, sondern besonders an Berliner, die statt zu verreisen die eigene Stadt entdecken wollen.“ Daher der inzwischen geschützte doppeldeutige Begriff, mit dem auch in mehr als einem Dutzend anderer Städte für das lokale touristische Erlebnis geworben wird.

Die Weddinger Stadtspaziergänger mit ihrem Hauptquartier in einem denkmalgeschützten Haus an der Liebenwalder Straße erinnern nun 30 Wochen lang, immer donnerstags, an „Verborgenes, Sinnliches, Geistvolles, Aufregendes und Humorvolles“ in ihrem Bezirk. „Cool Wedding“ nennt sich das Jubiläumsprogramm, ein ausgiebiger Kiezspaziergang vom Leopoldplatz zu den Osram-Höfen mit anschließender Sause im „La Luz“. Man besucht ferner die Preußische Spirituosen-Manufaktur, das Robert-Koch-Institut, die Deutsche- Welle-Redaktion in einem Industriedenkmal, das Kino Alhambra.

Am 18. März jedoch, dem Gründungstag, feiern sich die ersten organisierten Stadtführer Berlins mit ihrem Dauerbrenner „Hallo Roter Wedding“ selbst. Mitbegründer Martin Düspohl erinnert sich an den Ursprung der „Asphaltpädagogik“: „In den Pankehallen und in der Szenekneipe Zum-Zum traf sich die Weddinger Geschichtswerkstatt, ein lockerer Studentenkreis, der angesichts der damaligen Abrisspolitik begonnen hatte, sich mit dem Vorleben der Häuser zu beschäftigen und dabei vor allem dem Mythos des Roten Wedding nachspürte, von dem so gar nichts geblieben zu sein schien.“ Der Bezirkspolitik war das Treiben der städtischen Reise-Aktivisten suspekt, zeitweise hatten Vereinsmitglieder sogar Hausverbot im Heimatarchiv, weil sie als Nestbeschmutzer galten, die die „unrühmliche kommunistische Bezirksgeschichte“ wieder hervorholten, die man glücklich entsorgt zu haben glaubte.

Viel Arbeit bekamen die Stadtspaziergänger mit den Schulklassen aus der Bundesrepublik, die sich mit ihren subventionierten West-Berlin- Reisen in der Stadt aufhielten und für ihren Besuch im anderen Teil der Stadt hinter der Mauer sachkundige Stadtführer suchten. Die Mauer ist gefallen, die Klassenfahrten in die Hauptstadt sind, auch ohne Mauerkontrollenkitzel, spannender denn je. 40 freie Mitarbeiter bestreiten jetzt jährlich 1700 Erkundungstouren mit fast 30 000 Teilnehmern. Dabei ist Stattreisen auch ein Barometer für den touristischen Aufschwung, den das neu geborene Berlin genommen hat.

„Anfang der Neunziger kam der große Schub“, erinnert sich Jörg Zintgraf, mit der wachsenden Stadt stiegen die Anforderungen, der Tourismus ist ein großer Wirtschaftsfaktor mit seinen positiven Auswirkungen in einer vergleichsweise preiswerten Metropole. Längst ist der inzwischen mehr mittelständische als rote Wedding nur noch ein Teil der Erkundung, die ganze Stadt ist entdeckenswert, von Charlottengrad bis zur Weltstadt Kreuzberg.

Die Brüder Grimm geben eine Tour mit zehn markanten Stellen her, und alles geht per pedes oder mit dem Fahrrad nach dem Motto „Statt mit dem Bus zu Fuß“. Noch immer (oder gerade) ist das Konzept „Geschichte von unten“ aktuell, eine erfolgreiche Nische, denn „die Linden rauf und runter zu spazieren ist doch langweilig, wir machen daraus spezielle Programme über Häuser, Menschen und ihre Geschichten“, sagt der Geschäftsführer. Eine Hälfte der Stattreisen-Touristen kommt aus aller Welt, die andere aus Berlin, der Stadt, die so viel zu bieten hat.

Alles zum Jubiläumsprogramm gibt’s unter: www.stattreisenberlin.de

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