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Berlin: 40 Stunden und mehr sind normal

In den meisten Berufen in Berlin gibt es keine 35-Stunden-Woche. Ausnahme ist die Metallindustrie

Jetzt kommt sie also zurück, die 40–Stunden-Woche. So sieht es jedenfalls aus, seit der Siemens-Konzern sie in zwei Werken wieder eingeführt hat. Die Gewerkschaften fürchten nun eine flächendeckende 40-Stunden-Woche. Tatsächlich ist sie aber in vielen Branchen schon üblich, weil sie in vielen Tarifverträgen in Berlin und Brandenburg vorgesehen ist. Nur in der Metall- und Elektroindustrie gibt es die 35-Stunden-Woche, und das auch nur im Westteil Berlins. Dagegen arbeiten zum Beispiel Raumausstatter 43,75 Stunden pro Woche. Im Schnitt liegt die geregelte Arbeitszeit bei 38 bis 39 Wochenstunden. Der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist das nicht genug. „Wenn sich die 40-Stunden-Woche durchsetzte, wäre das für den Mittelstand eine große Erleichterung“, sagt Sprecher Stefan Siebner. „Die Unternehmen leiden unter der unflexiblen Arbeitsgestaltung: dem Kündigungsschutz und den Arbeitszeit-Regelungen.“

Nach Angaben der Handwerkskammer zeichnet sich eine Tendenz im Sinne der IHK in den Tarifverträgen bereits ab. „Wir nähern uns 39,4 Stunden“, sagt Sprecherin Almuth Draeger. Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) wird in Bäckereien, Hotels und Kneipen in West-Berlin mindestens 38 Stunden gearbeitet. In Ost-Berlin und Brandenburg sind es 40. „Allerdings“, sagt Gewerkschaftssprecher Roland Franke, „kann es sein, dass es bei Bäckern bis zu 45 Stunden werden – wenn es eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt“.

Ganz sicher macht laut Franke Überstunden, wer in Hotels oder Gaststätten angestellt ist: „Wir stellen fest, dass dort die geregelte Arbeitszeit regelmäßig überschritten wird. Es wird gearbeitet, bis die Arbeit getan ist.“ Ein häufiges Problem seien „nicht angewiesene Überstunden“. Wer nicht belegen kann, dass der Chef Überstunden verordnet hat, hat vor dem Arbeitsgericht kaum Chancen, Ausgleich zu erstreiten. Derlei Regelungen interessieren Freiberufler kaum. „Die wenigsten kennen feste Arbeitszeiten“, sagt IHK-Sprecher Siebner. Dietrich Peters, bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zuständig für Medien und Kinos, spricht von einem „hohen Leistungsdruck in intelligenzintensiven Berufen.“ Architekten, Grafiker, Werbetexter, Journalisten: „Wer in diesen Brachen freiberuflich arbeitet, kommt mitunter auf 60 oder 80 Wochenstunden.“ IHK-Sprecher Siebner sieht das ähnlich: „Viele, die in diesen Berufen frei arbeiten, waren früher fest angestellt. Heute sind sie Ich-AG’s – mit deutlich mehr als 40 Wochenstunden.“

Marc Neller

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