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Berlin: Abgeordnete wollen Volksbegehren erleichtern

Grünen-Fraktionschef fordert Volksabstimmung 2006. Vier Parteien bringen Gesetzentwurf für bezirkliche Bürgerentscheide ein

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die hoch liegenden Hürden für ein Volksbegehren werden möglicherweise gesenkt. Der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann schlug gestern vor, die Quoren zu verringern, die in Berlin schon einige Volksbegehren zum Scheitern brachten. Dazu ist laut Verfassung aber eine Volksabstimmung nötig. „Die könnte im Herbst 2006 gemeinsam mit den Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahlen stattfinden“, sagte Ratzmann.

PDS und FDP unterstützen diesen Vorschlag. „Das wäre ein guter Zeitplan“, sagte der FDP-Abgeordnete Alexander Ritzmann dem Tagesspiegel. Er verwies auf das neue Grundsatzprogramm der Berliner Liberalen, in dem gefordert wird, die geltenden Quoren deutlich zu senken. „Wenn kein Volksbegehren mehr zustande kommt, weil zu viele Unterschriften gesammelt werden müssen, fühlen sich die Bürger verschaukelt“, sagte Ritzmann.

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist eher zurückhaltend, obwohl auch in der SPD/PDS-Koalitionsvereinbarung versprochen wird, „die direkte Demokratie auf Landesebene zu erleichtern“ und eine „Absenkung der Quoren anzustreben“. Die PDS hatte im Mai 2004 in einem Landesparteitagsbeschluss die eigene Fraktion an diesen Auftrag erinnert. Der Verwaltungsreform-Experte der CDU, Matthias Wambach, wollte die Initiative der anderen Fraktionen gestern nicht kommentieren. „Die Debatte ist mir neu, dazu haben wir noch keine Meinung.“

Bisher müssen in Berlin zehn Prozent der Wahlberechtigten einem Volksbegehren zustimmen, damit es zustande kommt. Soll das Abgeordnetenhaus per Volksinitiative gezwungen werden, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen, müssen 90 000 Unterschriften gesammelt werden. Der Grünen-Politiker Ratzmann empfiehlt eine Halbierung dieser Quoren. Das Thema hat neuen Schwung bekommen, nachdem sich SPD und PDS, Grüne und FDP auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf für bezirkliche Bürgerentscheide geeinigt haben, der gestern im Landesparlament eingebracht wurde. Das Gesetz und die notwendige Verfassungsänderung sollen am 14. April vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

Danach können in den zwölf Bezirken Bürgerbegehren und -entscheide zu allen Problemen beantragt werden, für die ansonsten das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung (BVV)zuständig sind. Wenn es den Bürgern zum Beispiel nicht passt, dass eine Schule geschlossen wird, eine Grünanlage oder ein Spielplatz verlottert, dass sich ein Supermarkt an ungewollter Stelle ansiedeln will oder ein gewünschter Radweg nicht angelegt wird, dürfen sie künftig aufbegehren. Auch wenn das geforderte Projekt Geld kostet.

Ein Bürgerbegehren kommt zustande, wenn innerhalb von sechs Monaten drei Prozent der im Bezirk Wahlberechtigten unterschreiben. Wenn beim anschließenden Bürgerentscheid mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen und eine Mehrheit für die Vorlage stimmt, gilt sie als angenommen. Sie hat dann denselben Status wie ein BVV- oder Bezirksamtsbeschluss. Der neue Gesetzentwurf sieht außerdem Einwohnerversammlungen und -fragestunden vor.

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