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Das war’s. Die Bierstube „Alt-Berlin“ öffnete zum letzten Mal.

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Abschied von der Kneipe "Alt Berlin": Das letzte Bier an der Rakete

Urberliner, Studenten, schillernde Kiezpersönlichkeiten: Ein buntes Publikum traf sich zum letzten Mal in der Münzstraße 23, um Abschied von der Kneipe „Alt-Berlin“ zu nehmen. Sie schließt nach über 120 Jahren.

Die Straßen rund um den Hackeschen Markt füllen sich allmählich. Auch die Bänke an der Münzstraße 23 werden zunehmend voller. Mit kühlem Bier und Schweinebraten lädt die Bierstube „Alt-Berlin“ an diesem Sonntag ein letztes Mal ein – Gelegenheit, um gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen. „Die Kneipe war die letzten Jahrzehnte für viele Leute wie ein zweites Wohnzimmer“, beschreibt Inhaber Tilo Link seine Bierstube. Und auch so mancher Stammgast versinkt in Nostalgie. „Wenn ich schlechte Laune hatte, kam ich einfach hierher und schaute mir stundenlang die Raketenzeichnung an“, erinnert sich ein älterer Herr mit verträumten Blick auf sein Bierglas. „Das ist zwar eine völlig aberwitzige Mischung, aber macht einfach gute Laune.“

Aberwitzige Mischung, das trifft die Stimmung und das Publikum der Bierstube an diesem Tag recht genau. Urberliner, Studenten, schillernde Kiezpersönlichkeiten – sie sind alle noch einmal hergekommen. Zum Geschichtenerzählen, zum Biertrinken, zum Lachen, aber auch, um sich vorerst zu verabschieden vom „letzten Relikt in Mitte“, wie Stefan Köhler seine Stammkneipe betitelt. „Die Gegend ist voll von Designerläden und Labelunternehmen. So etwas wie das Alt-Berlin findet man doch kaum noch. Eine derartige Rarität muss einfach aufrechterhalten werden“, meint der 46-Jährige.

Damit steht er nicht allein. Ein Großteil der Gäste empfindet die Schließung der Kneipe als herben Verlust im Kampf um die Stadt. „Ein großes Stück Kneipenkultur geht mit der Bierstube. Es ist nicht nur ein Verlust für die einzelnen Gäste, sondern für die gesamte Berliner Gesellschaft“, meint Link. Seit 14 Jahren ist er Inhaber der Bierstube. Ob Veranstaltungen wie der Wettbewerb für Radfahrerinnen, die sich im „Links um die Ecke biegen“ messen konnten, oder „Fußball-Lupfen über den Stromkasten“ – langweilig sei es nie geworden. „Die Vielfalt an Leuten und die daraus entstehende Kommunikation in der Bierstube ist einmalig und war für viele Besucher Grund, hier ihren Abend zu verbringen. Auch Leute wie Quentin Tarantino, Brad Pitt oder Joschka Fischer saßen bei uns an der Theke und haben sich wohlgefühlt“, erklärt Link den Charme der Kneipe. Um diese Einmaligkeit aufrechtzuerhalten, ist er nun mit seinem Team auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Vorerst jedoch bleiben die Türen der Kneipe geschlossen.

Joy Schilling

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