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Berlin: Abschieds-SMS vor dem Sprung in den Tod

18-Jährige aus Baden-Württemberg verbrachte die Ferien bei ihrem Freund in Spandau. Gemeinsam stürzten sie sich aus dem achten Stock

Kurz vor dem Sprung griff die 18-Jährige noch zum Handy. Die junge Frau schrieb eine SMS an ihre Mutter: Ich bringe mich jetzt um. Dann sprang sie mit ihrem 19-jährigen Freund aus dem achten Stock eines Hochhauses am Blasewitzer Ring (Spandau). Das junge Paar war sofort tot.

Die Selbsttötung ereignete sich, wie in einem Teil der gestrigen Auflage berichtet, am Sonntagabend. Warum die Jugendlichen sprangen, war auch am Tag danach unklar. Die beiden waren weder betrunken, noch hatten sie Drogen genommen. Die Eltern kannten und akzeptierten den Freund ihrer Tochter, sagte ein Ermittler. Nach Tagesspiegel-Informationen waren sie sogar froh über die junge Liebe, da die 18-Jährige dadurch wieder Freude am Leben hatte. Die Jugendliche soll nämlich unter depressiven Verstimmungen gelitten und sich in therapeutischer Behandlung befunden haben.

Die beiden hatten sich im Sommer 2004 kennen gelernt. Jetzt war die junge Frau aus Reinstetten (Baden-Württemberg) während der Ferien zu Besuch bei ihrem Freund, einem deutsch-polnischen Schüler aus Spandau. Dass die Eltern des Mädchens sofort nach Erhalt der SMS die Polizei anrief, half nicht mehr.

„Wenn zwei Menschen sich gemeinsam vornehmen, dem Leben ein Ende zu setzen, entwickelt das eine besondere Dynamik“, sagt Gerd Storchmann, Sozialpädagoge von der Beratungsstelle „Neuhland“ für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche. Es sei für jeden Einzelnen dann schwieriger, zurückzutreten. „Die jungen Leute empfinden das als Versprechen und wollen den anderen nicht enttäuschen.“

Jedes Jahr nehmen sich in Berlin Dutzende junger Menschen das Leben, weil sie nicht mehr weiter wissen: Schulsorgen, Beziehungsprobleme, Stress im Elternhaus. Bei jungen Männern um die 20 ist Selbstmord nach Verkehrsunfällen die Haupttodesursache. Im Jahr 2003 meldete die Polizei 43 Selbsttötungen von Personen bis 25 Jahre, darunter 31 männliche Opfer. Experten schätzen, dass die Zahl der gescheiterten Suizidversuche um bis zu dreißig Mal höher liegt. Bei Mädchen sei das oft ein Hilfeschrei: Sie planen ihre Selbsttötung aber so, dass man sie noch rechtzeitig findet. Jungen sind radikaler.

Zunehmend nutzen Lebensmüde das Internet als Kontaktbörse, sagt „Neuhland“- Experte Storchmann. Vor drei Jahren hatten sich in Berlin zwei junge Leute im Auto erschossen, nachdem sie sich in einem Chatroom kennen gelernt und zum Freitod verabredet hatten. Die 21-Jährige kam aus Charlottenburg, ihr 16-Jähriger Bekannter stammte wie jetzt aus Baden-Württemberg. Experten empfehlen Eltern und Freunden, das Gespräch zu suchen, wenn Kinder sich zurückziehen oder Lieblingssachen verschenken.

Beratung für Eltern und Jugendliche: www.neuhland.de, Telefon 87 30 111

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