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Berlin: Absolventen und Studenten der Hochschule der Künste stellen in den S-Bahnwaggons neben dem Tacheles ihre Arbeiten aus

Draußen sitzen erste Nachtschwärmer in Hollywood-Schaukeln bei Cocktails oder Bier. Besonders am Wochenende herrscht rund um die zur Bar umfunktionierten S-Bahnwaggons des "Air-O-Soul" neben dem Tacheles Partystimmung.

Draußen sitzen erste Nachtschwärmer in Hollywood-Schaukeln bei Cocktails oder Bier. Besonders am Wochenende herrscht rund um die zur Bar umfunktionierten S-Bahnwaggons des "Air-O-Soul" neben dem Tacheles Partystimmung. Den Ausstellungsraum mit der Adresse "in den Industriehallen der Johannishöfe" würde kaum jemand in seinem Versteck des Biergartens vermuten. Wenn man aber nach der großen, gelben Buchstaben- und Ziffernfolge "G 7" auf dem Dach Ausschau hält, ist er leicht zu finden. Ein halbes Jahr lang zeigen dort insgesamt fünfzehn Absolventen und Studenten unterschiedlicher Klassen und Jahrgänge der Hochschule der Künste ihre Arbeiten. Gemeinsam und in Eigeninitative organisieren sie jeweils sechs dreiwöchige Gruppenausstellungen mit Malerei, Video, Skulptur, Performance, Musik, Fotografie und Rauminstallationen.

Bis in die Farbrikhalle dringt der Lärmpegel des feuchtfröhlichen Treibens nicht. Dazu sind die Wände des früher als Maschinenpark und Kühlraum genutzten Gebäudes zu massiv. Grabesstille herrscht drinnen hinter der tresorartigen Tür trotzdem nicht, auch wenn sich die Ausstellungsfolge auf ein melancholisch bis düster gestimmtes Breitbandspektrum an Themen von Trennung bis Tod bezieht. Der doppeldeutige Ausstellungstitel "verlassen sich" meint zum einen "jemanden verlassen", zum anderen "sich auf jemanden verlassen". Während man die Lilien-Bilder von Ariane Boß betrachtet, ertönt plötzlich eine weibliche Stimme. Sie trägt poetische Texte vor. Die Klanginstallation füllt den Raum auch akustisch mit emotional gefärbten Momentaufnahmen. Mit Stimmungsbildern von Abschied, Erinnerung oder Einsamkeit. Der Hörbeitrag stammt von Judith Berges. Sie ist die jüngste Teilnehmerin an dem Kunstprojekt "G 7". Gerade erst hat sie die Aufnahmeprüfung für die HdK bestanden.

Außerdem sind Annette Beisenherz aus der Malerklasse von Dieter Hacker und Wilken Skurk beteiligt, der bei dem Metallbildhauer David Evison studiert. Beisenherz malt blutrote Blumen in Stadien zwischen Erblühen, Welken und Vergehen. Eine Serie ihrer Siebdrucke basiert auf Fingerabdrücken und Lebenslinien menschlicher Hände. Das Motiv des Fingerzeigs greift wiederum Skurk mit abstrakten Skulpturen auf, die Fingerglieder eines Riesen ähneln. Sie sind aus Eisenguss, die brüchige Verbindung des Gelenks besteht aus Glas. Illustrationen zu den Sicherheitshinweisen, wie sie in jedem Flugzeug Reisende eher beängstigen statt beruhigen, benutzt Beisenherz für eine zentrale Siebdruckfolge. Im Mittelpunkt steht ein schematisiertes Figurenpaar, das aus dem Notausgang auf Sicherheitsrutschen springt.

Die Ausstellungsreihe "G 7" haben die Studenten selbst organisiert, wie Marc Pätzold, ein Sprecher der Gruppe, erklärt: "Die Hochschule der Künste beruht auf interdisziplinärer Arbeitsweise. Doch Projekte, die dies auch nach außen, in der Öffentlichkeit repräsentieren, sind noch viel zu selten." Demnächst setzen sich Susanne Roewer und Pätzold mit den kommerziellen Aspekten der Kunst und ihrem Warencharakter auseinander. Im Begleitprogramm sollen dann Freiluftaufführungen von Kurz- und Animationsfilmen stattfinden. Bei "Reset" geht es um Medienwirklichkeit, zu "Interferenz" ist eine Musicperformance geplant und zum Schluss folgt bis Mitte Dezember "Palmenschatten".

Bei dem Namen "G 7" wollten die Studierenden und Absolventen der HdK bewußt offenlassen, wofür die Abkürzung steht: ob G wie Galerie oder Gruppe, wie Gastronomie oder Garten. Eines aber steht für sie fest: Sie wollen "ernsthaft" Kunst machen und damit dem kommerziellen Kunst- und Partybetrieb ringsum etwas entgegensetzen.Die Ausstellung ist bis zum 1. September mittwochs bis sonntags von 15 bis 21 Uhr in der Industriehalle in den Johannishöfen zu sehen (Oranienburgerstraße 57-58, neben dem Tacheles).

Elfi Kreis

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