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Adel berichtet (2): Ich gegen den Apparat

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Gestern habe ich in der Konferenz endlich mal angesprochen, welches Autorenkürzel künftig meine Beiträge schmücken soll. Mein Vorschlag, einfach die Anfangsbuchstaben der ersten drei meiner 21 Vornamen zu nehmen, wird leider abgelehnt. Was ist denn so schlimm an Cedric Siegfried Ulrich? Gegenvorschlag ist „gut“, leicht abzuleiten aus meinem Nachnamen, aber eigentlich das falsche Signal angesichts der höchsten Ansprüche, die ich an meine Arbeit stelle.

Danach muss ich auch gleich weiter, um im Bezirksamt Mitte zu recherchieren, was denn jetzt wird mit dem Partychaos im Tiergarten, wo sich Christopher Street Day, Fashion Week und B-Parade, der inoffizielle Loveparade-Nachfolger, gegenseitig im Kalender blockieren. Gute Beziehungen in die städtische Verwaltung sind das A und O für jeden Journalisten, und gerade dort, wo in Sachen Effizienz und Arbeitseifer kleinere Brötchen gebacken werden, ist man meist auch offen für andere Backwaren. Die fünf Sachertorten und drei Apfelstrudel, die ich auf halbem Weg im Einstein abhole, sehe ich deshalb als Investition in guten Journalismus, die mein Chef sicher gern aus der Spesenkasse begleicht. Doch als ich kurz nach sechs gemeinsam mit dem zwölfjährigen Fatih, der mir für 20 Euro die Kuchenkartons trägt, das Bezirksamt erreiche, zerplatzt mein Traum von der Titelseite mit dem dumpfen Geräusch von Tweed, der vergeblich gegen Messing drückt: geschlossen!

Und das ist es doch, was falsch läuft in Deutschland: Im Rewe bei mir begrüßt mich der Verkäufer auch kurz vor Mitternacht noch mit Handschlag vor dem Regal mit dem Grauburgunder, und hier im Amt lässt man ambitionierte Journalisten und motivierte Partyveranstalter am langen Arm verhungern! Fatih führt mich an die Rückseite des Gebäudes, wo ich ihm unter dem Fenster vom Herrenklo Räuberleiter mache. Für 50 Euro will er ins Bezirksamt klettern und mir von innen öffnen. Als zwei Minuten später die Alarmanlage losgeht, beschließe ich, dass ich solche Methoden mit meinem Verständnis von Presseethik nicht vereinbaren kann. Wunderbares Wetter übrigens, um wieder mit dem Joggen anzufangen!

Gerade fällt mir ein, dass man das Planungschaos lösen könnte, wenn man Fashion Week, Christopher Street Day und B-Parade einfach zusammenlegen würde. Ich meine, was braucht man für eine gute Party? Models und Homosexuelle! Schnell den Chef anrufen: Wann hat noch mal die Titelseite Druckschluss?

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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