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Adel berichtet (26): Egoist am Trafo

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Die ganze Nacht haben mein Jungdackel Taxi und ich die S-Bahn-Strecke nach Tegel im Konferenzraum nachgebaut, und was ernten wir? Nur Hohn und Spott im ganzen Verlagshaus! Gerade in der Kantine erzählt mir die Verkäuferin, mein Mitarbeiterausweis gelte nur bis zum Salatbuffet, und Nachtisch gebe es nur in der ersten Klasse. Und als ich danach in den Aufzug steige, macht hinter mir jemand das Pfeifen einer Dampflokomotive nach.

Zugegeben, das mit der Lokführermütze war vielleicht ein bisschen zu viel, aber die 800 Euro für das Märklin-Starterset und die drei Säcke mit Plastikbäumen sind eine nachhaltige Investition, um unseren vielen Texten über S-Bahn-Unfälle endlich einen fundierten Unterbau zu geben. Und ich bin zwar manchmal ein Egoist am Trafo, aber irgendwann hätte ich den Chef auf jeden Fall auch mal drangelassen. Ganz sicher.

Um auf andere Gedanken zu kommen, fahre ich mit Taxi rüber zur Campus Party im Flughafen Tempelhof, wo sich über 10 000 Hacker treffen, um über grüne Zukunftstechnologien, Folgen der digitalen Entwicklung und Roboter in Fußballtrikots zu diskutieren. Bereits im Jahr 2050, erfahre ich im Programmheft, werden Menschen und Roboter erstmals auf Augenhöhe miteinander Fußball spielen. Wenn die Hertha zusagt, könnte es sogar schon 2030 so weit sein.

Danach habe ich die Idee für ein Glanzstück von klassischem Investigativjournalismus: Das Festival pfercht seine Besucher in 3 000 winzige Zelte, wie Hühner in einer Chicken-McNuggets-Fabrik. Menschenunwürdige Zustände? Eine Titelstory? Als ich drei Stunden später den Reißverschluss in der Zeltplane wieder öffne, fühle ich mich ausgeschlafen und frisch. Gut, dass ich recherchiert habe!

Dann geht’s auch schon weiter zum Grundkurs Biohacking. „Hör zu“, sage ich Taxi, und lese den Einführungstext vor. „Mithilfe neuer Mikroskopietechnik wird ein genetisch manipulierter, fluoreszierender Zebrafisch gefilmt, der ...“ Taxi unterbricht mich hustend, dann kratzt er sich eine gestreifte Flosse von der Zunge.

Als auf der Bühne Unruhe ausbricht, klettern wir bereits über die Feuerleiter vom Hangardach. Egal, dann haben wir wenigstens noch Zeit, für Taxi den schwarzen Anzug zu besorgen. Er ist doch als Ehrengast zur Trauerfeier vom verstorbenen Panda Bao Bao geladen, und ich kann ihn da nicht im Pussy-Riot-T-Shirt hingehen lassen. Der arme Bao Bao: Nur 34 Jahre ist er geworden! Und jetzt sag noch mal jemand, Vegetarier leben gesünder.

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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