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Adel berichtet (38): Unterwegs im Kaltlichtmilieu

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Woher sollte ich denn wissen, dass der Chef die neuen Straßenlaternen meint, wenn er sagt, ich soll mal schauen, wie sich die neue „Jessica“ so am Bordstein bewährt? Was schreibe ich denn jetzt auf die Spesenquittung? Ach egal – die Hauptsache war ja, dass mir endlich mal jemand zugehört hat, als ich von dem ganzen Stress hier in der Redaktion erzählt habe. Später bin ich dann gleich noch mal zu Jessica, weil sie in Sachen Straßenbeleuchtung sicher ein paar Jahre mehr Lebenserfahrung hat als all die obskuren Fachleute vom Chef. Dabei hat sich herausgestellt, dass Jessica eigentlich Silvana heißt und nur die Vertretung macht für Jessica, die übrigens als sehr unzuverlässig gilt. Vom Plan des Senats, 8000 Jessicas in die Straßen zu stellen, ist Silvana deshalb auch überhaupt nicht begeistert: Drei Monate, sagt sie, und die sind alle schwanger.

Solche Argumente helfen erklärten Leuchtstoffgegnern, wie es auch mein Jungdackel Taxi und ich sind, natürlich enorm – vor allem, weil wir ja gleich noch die 300 Transparente beschriften müssen, die wir für unsere große Kundgebung heute in Charlottenburg besorgt haben. Meine Favoriten bisher: „Leuchtstoffröhre, wir haben dir was mitgebracht: Hass, Hass, Hass!“ und „Wer leuchtet so grell in Nacht und Wind? Es ist die bekackte Leuchtstoffröhre!“

Wie ich leider gerade erfahren habe, hat sich genau zur gleichen Zeit eine Gruppe gemäßigter Demonstranten angekündigt, die mit einer Menschenkette für den Erhalt der Berliner Gaslaternen werben möchte. Unsere Kundgebung findet deshalb auf der anderen Straßenseite statt, wo wir von 14 bis 16 Uhr in Hungerstreik treten. Ein Arzt ist selbstverständlich anwesend: Taxi und ich haben ja beide so einen schnellen Stoffwechsel. Sobald wir danach wieder bei Bewusstsein sind, feiern wir gemeinsam mit interessierten Mitstreitern die Weltpremiere von unserem Horror-Dokumentarfilm „6500 Kelvin allein zu Haus“. Und wer dann noch Lust hat: Um Mitternacht tragen Taxi und ich in szenischer Lesung unser nachdenkliches Dramolett „Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Leuchtstoffröhren mögen, dann wären sie aus Schokolade“ vor.

So, aber vorher müssen wir noch mal in den Wedding, um Augenzeugen für unseren Artikel über den ausgeraubten Pizzaboten zu suchen. Taxi und ich vermuten ja einen terroristischen Hintergrund: Al Qaida will uns dort treffen, wo es uns am meisten wehtut. Trotzdem war der Bote natürlich auch sehr naiv: Wer wohnt denn schon in der „Dunklen Gasse 9“?

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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