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Adel berichtet (4): Turbojournalismus

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Diese Kreuzberger! Erst letzte Woche habe ich am Beispiel der urbanen Defizite am Moritzplatz erläutert, dass der einzige Ausweg des Stadtteils aus seiner Sieche nur die Hinwendung zu einer konsumbejahenden Immobilienpolitik sein kann. Und dann schlage ich diese Woche die Wildlederhülle meines iPads zurück und lese, dass das renommierte BMW Guggenheim Lab seinen geplanten Aufenthalt am Spreeufer absagen muss, weil die Anarcho-Szene mit Vandalismus droht. Ohne die Sache totrecherchieren zu wollen, kann man wohl davon ausgehen, dass übliche linksradikale Instrumente wie Farbbeutel, Fahrradklingel-Flashmobs und mit Schweineblut gefüllte Wasserpistolen im Repertoire gewesen wären. Wo jetzt der Alternativstandort sein soll, ist noch nicht entschieden – angeblich! Als guter Journalist weiß ich natürlich, dass die besten Informationen oft aus der zweiten oder dritten Reihe kommen und vereinbare deshalb einen Termin mit Werner, meinem lokalen BMW-Händler. Bei der Probefahrt eines Z4 in Orionsilber-Metallic will ich herausfinden, wie die Bedrohungslage für Werner persönlich aussieht und wie es wirklich um das BMW-„Lab“ steht.

Ich stelle den Fahrerlebnisschalter auf „Sport+“ und katapultiere uns mit einem sanften Tritt auf das Gaspedal in Richtung Krawallbezirk. Die 340 PS sind locker laut genug, um selbst hartnäckigste Vuvuzela-Chöre zu übertönen, und das adaptive Kurvenlicht hilft auch bei schwierigen Sichtverhältnissen vor dunklen Häuserfassaden, plötzlich auf die Straße hechtenden Demonstranten sicher auszuweichen. Ich komme gleich zum Thema: Wie lebt es sich als Vertreter deutscher Wertarbeit in einem so prekären Umfeld wie Berlin? Werner antwortet ausweichend, aber als ich zu ihm rüberschaue, während ich am Kottbusser Tor die Kurvenbeschleunigung teste, sehe ich: Der Mann hat Angst! Weil ich noch zehn Minuten Zeit habe, schlage ich vor, schnell zum Pfefferberg in Prenzlauer Berg zu fahren – einem der möglichen Alternativstandorte für das „Lab“. Da wird Werner die Sache zu heiß: Er bittet mich, rechts ranzufahren – und lässt mich stehen, noch bevor ich den Karton mit den 80 BMW-Kugelschreibern für die Kollegen aus dem Fußraum heben kann. Ich verstecke mich auf einer Litfaßsäule, bis das Taxi kommt, und denke nach. Vielleicht hätte ich doch zur „FAZ“ gehen sollen? Nicht, dass die da besser schreiben. Aber Berlin ist mir manchmal einfach nicht preußisch genug.

Hochachtungsvoll

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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