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Adel berichtet (47): Unter Models

Stefan Stuckmann zeichnet auf, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Mit unterirdischen Tunnelanlagen ist es wie mit Kolumnen: Die ersten paar Zentimeter sind die schwersten, danach läuft’s praktisch von allein. Seit drei Nächten arbeiten mein Jungdackel Taxi und ich uns Meter für Meter durch das Berliner Erdreich vorwärts. Unser Plan: Durch einen geheimen Stollen, den wir bis nach Potsdam vortreiben, verschaffen wir uns Zugang zum Wohnzimmer von Ex-BER- Chef Rainer Schwarz, erschleichen uns das Vertrauen der Familie und ziehen ins Gästezimmer. Dann, nach drei oder vier Monaten, wenn wir genug Insiderwissen über das Fehlmanagement am BER zusammengetragen haben, verschwinden wir genau so, wie wir gekommen sind, und machen mit einer mehrteiligen Titelgeschichte ein für alle Mal klar, wer hier in Sachen gründlicher Recherche den Spaten in der Hand hat. Beziehungsweise: die gelbe Spongebob-Schaufel.

Zum Rhythmus von Queens „Under Pressure“ sorge ich für gleichmäßigen Vortrieb, während Taxi mit einem kleinen Plastikeimer den Abraum hoch zum Taxistand transportiert, von wo wir ihn unauffällig nach Brandenburg fahren lassen. Zwischendurch immer wieder der Blick zum Kanarienvogel, um die Luftqualität zu testen: Ruhig und entspannt liegt er auf dem Boden seines Käfigs und schläft – alles in Ordnung! Am frühen Morgen dann ist es so weit: Taxi zeigt auf die Tunneldecke. Ich nicke. Wir setzen unsere Schutzbrillen auf, dann steche ich entschlossen mit der Schaufel in das sandige Erdreich.

Doch plötzlich: ein weiblicher Schrei. Dann noch einer. Und noch zwei Dutzend. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich mich im grellen Tageslicht zu orientieren, bis ich die etwa dreißig Unterwäschemodels erkenne. Irritiert schaue ich zu Taxi, der nervös die Karte hin und her dreht. Irgendwo hinter dem Alexanderplatz sind wir wohl falsch abgebogen und statt bei Rainer Schwarz auf der Fashion Week gelandet. Ärgerlich!

Um die Situation zu entschärfen, halte ich meinen Presseausweis in die Höhe: „Keine Panik“, rufe ich, „Feuilleton!“ Schade, dass Vlado und Victor uns trotzdem sofort vom Gelände tragen, denn Taxi und ich hätten gerne noch unsere selbst entworfene Jeansweste speziell für Tagesspiegel-Abonnenten präsentiert: ein trendiges Key Piece mit sieben Klettschlaufen für die Ausgaben der aktuellen Woche. Taxi empfiehlt dazu T-Shirts mit kräftigen Farben, Color Blocking ist das Stichwort. Ich sehe das genauso, im Gegensatz zu ihm würde ich aber zusätzlich noch eine Hose anziehen.

Hochachtungsvoll,

Ihr

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