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Übung macht die Meister. Hannah und Lennart vom Kinderchor der Komischen Oper proben im Chorsaal mindestens zweimal die Woche für das Weihnachtskonzert.

© Thilo Rückeis

Adventsserie: Es weihnachtet sehr (5): Kein Bock auf Pop

Beim Weihnachtskonzert des Kinderchors stehen 100 junge Sänger auf der Bühne der Komischen Oper. Geprobt wird engagiert und lautstark. Hannah und Lennart sind mit dabei – beide fast schon Routiniers.

Lampenfieber? Nö, ist nicht so schlimm. Die beiden schütteln den Kopf. Obwohl, bei der Premiere der Kinderoper „Ali Baba und die 40 Räuber“ neulich war er schon aufgeregt, fällt Lennart dann wieder ein. „Oder wenn ich ein Solo singen muss.“ Und Hannah wird ein bisschen kribbelig, wenn Verwandte oder Mitschüler im Saal sind. „Aber nur vor dem Auftritt. Sobald ich die Seitenbühne betrete, ist das völlig weg.“ So spricht ein Bühnenroutinier. Und genau das sind die beiden Gymnasiasten Hannah Schmidt-Ott, 13, aus Zehlendorf und Lennart Petersen, 12, aus Steglitz auch.

Hannah singt seit fast sieben Jahren im Kinderchor der Komischen Oper und hat in diversen Opernproduktionen mitgemacht. Lennart ist vor zwei Jahren aus seinem Schulchor hierher gewechselt und, genau wie Hannah, gerade in „Ali Baba“, „La Bohème“ und natürlich beim Weihnachtskonzert von Kindern für Kinder ab vier Jahren dabei. Die Aufführungen hier in der Behrenstraße, dazu die adventlichen Schulaufführungen, der Klavierunterricht, die Chorproben und Lennarts Fußballtraining, das sei totaler Vorweihnachtsstress. Sie ächzen gespielt dramatisch und wirken ganz munter dabei. So, wie eine Stunde vorher, als sich an die 70 Kinder über die ansteigenden Klappsitzreihen im Chorsaal verteilen. Zweimal die Woche probt der in drei Altersgruppen unterteilte Kinderchor gemeinsam, Mädchen und Jungen von sechs bis 17 Jahren sind dabei, die Kleinen allerdings fehlen heute. Der Lockenkopf davor ist Chorleiterin Dagmar Fiebach. Sie hat im September den schon lange existierenden Chor übernommen. Aus Herzensgründen, wie sie sagt. Sie mochte das Haus, in Chorabeit ist sie erfahren, von 2008 an hat sie das Kinder- und Jugendensemble der Deutschen Oper aufgebaut.

Ein Job, für den es angesichts der hibbeligen Rasselbande an diesem Abend außer Musikalität und Stimme vor allem Liebe, Witz und Strenge braucht. „Mach den Kaugummi raus, Freund!“ raunzt sie ein Bürschchen im ersten Sopran an. Gekicher in den Bänken, ein Junge löst sich aus der Kinderschar und trabt verlegen lächelnd zum Kaugummiabwurf. Dagmar Fiebach verteilt Notenblätter – für „Rise up in Christmas Song“. Sie stimmt die Töne für den ersten, den zweiten Sopran und den Alt an und los schmettern die Kinderkehlen. Klappt schon ganz gut, aber nicht gut genug. „Das ist unser Auftrittslied“, ruft die Chorleiterin und mahnt eine gerade Sängerhaltung und mehr Konzentration an. „Das muss so klar wie Kristall klingen!“ Der nächste Durchgang läuft schon besser. „Glaubt nicht, dass Ihr in der Masse untertauchen könnt“, räumt die Chefin mit einer bei Chorsängern beliebten Annahme auf. „Es kommt auf jeden Einzelnen an.“ Der nächste Probelauf sitzt.

Zweimal im Jahr lädt Dagmar Fiebach interessierte Kinder zum Vorsingen ein, im März ist es wieder so weit. Noten lesen oder ein Instrument spielen, wie Hannah und Lennart es können, sei keine Voraussetzung, um mitzusingen, sagt sie, aber Stimme, Rhythmusgefühl, Musikalität. „Mindestens genauso wichtig ist mir aber das Charisma, die Wachheit, der Darstellungsdrang.“ Das Selbstbewusstsein, unbedingt auf der Bühne stehen zu wollen, das brauche es einfach für einen Opernchor. Im Probejahr, das der Aufnahme in den Kinderchor folgt, stellt sich dann raus, ob Talent und Begeisterung groß genug für die Probenarbeit und die Aufführungspflichten sind.

Bei Hannah und Lennart war beides kein Problem. Sie erzählt ziemlich erwachsen, wie sehr sie es liebt, auf der Bühne zu stehen. Er outet sich als Klassikfan. Mit Radiosongs kenne er sich nicht so aus, sagt Lennart. „Pop interessiert mich nicht so.“ Hannah nickt. Sie findet zwar Michael Jackson ganz gut, aber Antonin Dvorák ist ihr viel lieber. Genauer gesagt, seine Kompositionen wie die Sinfonie Nr. 9 „Aus der neuen Welt“, ihr Lieblingsstück. Bei den Mitschülern komme man damit allerdings eher uncool rüber. Hannah zuckt die Achseln. Da kann sie keine Rücksicht drauf nehmen, schließlich will sie Sängerin werden. Das statt traditioneller deutscher Lieder mit englischsprachigen Songs gespickte Weihnachtskonzert-Programm gefällt ihr. „Ich find’s spannender, was Neues zu singen, als zum tausendsten Mal ,Oh du fröhliche‘.“ Da ist sie ja schon, die Experimentierfreude einer angehenden Künstlerin.

Komische Oper, Behrenstraße 55-57, Mitte, Montag 17. Dezember, 18 Uhr, 8 Euro

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