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Berlin: Adventszeitung: Die Frohe Botschaft als Anzeigenblatt

Kirchen wollen mit Gratiszeitung auch in Supermärkten missionieren

150 000 mal wird in diesen Tagen das Lukasevangelium zitiert: „In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl…“ beginnt die Titelseite der „Ökumenischen Adventszeitung“, eines gratisVerteilblatts, das das katholische Erzbistum Berlin und die evangelische Landeskirche gemeinsam herausgeben. Aufgelegt wird es nicht nur an den Schriftenständen von Kirchen, in Krankenhäusern und Altersheimen, sondern auch in Supermärkten oder Kneipen. Die missionarische Anstrengung der Kirchen soll dabei die klammen Kassen nicht weiter belasten: Durch die Anzeigen in der „Adventszeitung“ bleibt laut Olaf Lezinsky vom Morus-Verlag sogar ein Plus, Kirchensteuermittel würden nicht aufgewendet.

Die Themen im Gratis-Blatt kreisen rund um Weihnachten und Jahresschluss. Kardinal Georg Sterzinsky, katholischer Erzbischof, beschreibt den sinnentleerten Adventsrummel in Lichtenberg-Hohenschönhausen, eine freie Autorin gibt zu Protokoll, wie die Protestanten, Katholiken und Atheisten in ihrer Familie gemeinsam Heiligabend feiern, Bischof Wolfgang Huber mahnt zum Frieden in Bethlehem. Umfragen sollen zeigen, dass die Berliner nach wie vor auf der Suche nach Gott sind, und es gibt Tipps für Kirchenkonzerte und weihnachtliche Filme. Zwischendrin werben vor allem kirchennahe Anbieter für Pflegeheimplätze, erbauliche Literatur und Bankgeschäfte.

Hinter der Zeitung stehen die kirchlichen Verlage Wichern (evangelisch) und Morus (katholisch), die auch die jeweiligen Kauf- Kirchenzeitungen herausgeben. Olaf Lezinsky, ehemaliger Mitverleger des „Spandauer Volksblatt“, arbeitet seit einigen Jahren für das Erzbistum und versucht, die defizitäre Kirchenzeitung zu sanieren. Die „Adventszeitung“ sei ein Versuch, zugleich Geld einzunehmen und „die frohe Botschaft in die Welt zu tragen“, sagt er. Darum hat er nicht wie die Protestanten die Zeitungen nur an die Gemeinden geschickt, sondern nutzt die Vertriebskanäle von Anzeigenblättern mit.

So sollten, sagt Lezinsky, auch Menschen erreicht werden, „die mit Kirche nichts am Hut haben, aber nach Spiritualität suchen.“ Zugleich sollten aber die „strammen Katholiken“ nicht verschreckt werden – ein Problem, das dadurch gelöst werden soll, dass wenig kontroverse Themen im Vordergrund stehen. Die inhaltlichen und logistischen Erfahrungen mit der „Adventszeitung“ sollen weiter genutzt werden: Zum ökumenischen Kirchentag 2003 wird ein ähnliches Blatt erscheinen, mit einer Auflage von einer Million. Und die evangelische Kirche hat sich zum Ziel gesetzt, in Zukunft zehn Prozent ihres Haushalts für die Gewinnung neuer Mitglieder einzusetzen. Die „Adventszeitung“, sagt Reinhard Lampe, Pressesprecher der Landeskirche, gehört aber noch nicht zu diesem Paket. rau

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