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So nobel wie hier am wiederaufgebauten Potsdamer Stadtschloss wohnt der Ex-Minister Rainer Speer nicht, aber immerhin ist sein Domizil in der Potsdamer Jägervorstadt.

© M. Thomas

Ärger in Potsdam: Große Aufregung um kleine Miete für Ex-Minister Rainer Speer

Der Brandenburger Ex-Minister Rainer Speer wohnt erstaunlich günstig zur Miete. Der Hauseigentümerin, der Kassenärztlichen Vereinigung, drohen nun Ermittlungen der Justiz.

Es ist ein fein herausgeputztes klassizistisches Bauensemble in Potsdams Jägervorstadt, mit zwei schweren, schmiedeeisernen Portalen. Zum Jahresende wird diese Immobilie, die im Eigentum der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) steht, verkauft.

Die KVBB hat hier einen prominenten Mieter. Es ist Rainer Speer, zwei Jahrzehnte in hohen Regierungsfunktionen in Brandenburg, unter anderem war er Chef der Staatskanzlei, dann Finanzminister, am Ende Innenminister. 2010 musste er wegen einer Unterhaltsaffäre zurücktreten. Rund 132 Quadratmeter hat die Familie Speer im Dachgeschoss des Bürogebäudes seit 1989 als Wohnung gemietet – so steht es auch im Lageplan des Hauses.

Der Verkauf wirft Fragen auf

Für sich genommen, ist Speer erst einmal – trotz seiner Bekanntheit – ein gewöhnlicher Mieter. Doch dem Tagesspiegel vorliegende Unterlagen zum Verkauf des Gebäudes werfen Fragen auf – etwa nach den Mietkonditionen. Oder zur Frage, wie die KVBB mit ihren Finanzen und dem Wirtschaftlichkeitsgebot, dem sie unterliegt, umgeht.

Die KVBB ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, sie vertritt die Interessen von fast 4000 niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten und finanziert sich aus deren Beiträgen.

Für den Hausverkauf ließ die KVBB von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein Wertgutachten für die Immobilie erstellen. Auf Seite 16 folgt ein Satz, der in Potsdam angesichts steigender Mieten nur verwundern kann: Laut „schriftlicher Auskunft der Auftraggeberin“, also der KVBB, „erzielt die Wohneinheit eine monatliche Nettokaltmiete von 333,75 Euro“. Das wären 2,51 Euro je Quadratmeter. An anderer Stelle ist in dem Gutachten direkt von der „zum Wertermittlungsstichtag erzielten Ist-Miete in Höhe von 2,51 Euro je Quadratmeter Wohnfläche“ die Rede.

Für die Büros in dem Haus hat der Gutachter hingegen – wegen des „als gut bis sehr gut erachteten Standorts“ – immerhin eine Miete von zehn Euro pro Quadratmeter als marktüblich errechnet. Für die Wohnung geht er von mindestens acht Euro pro Quadratmeter als realistische Miete aus, möglich wären aber auch 11,50 Euro.

Speer: Die Daten sind falsch

Wie die KVBB dem Gutachter mitteilte, hat der Mietvertrag eine unbefristete Laufzeit und „ist vom geplanten Auszug der KVBB nicht betroffen“. Von einer Beendigung des Mietverhältnisses könne nicht ausgegangen werden.

Speer selbst erklärte lediglich, die Daten seien falsch. Zudem sei er für die Angelegenheiten seines Vermieters nicht zuständig. Auch die KVBB erklärte auf Anfrage, der dieser Zeitung vorliegende Mietpreis sei falsch. „Entsprechend der gesetzlichen Möglichkeiten wurde der Mietpreis dynamisiert“, teilte die KVBB mit. Über den aktuellen Mietpreis werde keine Auskunft gegeben. Dabei haben nach Tagesspiegel-Recherchen selbst Mitarbeiter der Vereinigung gegenüber Kaufinteressenten den Quadratmeterpreis von 2,51 Euro bestätigt.

KVBB wirft Gutachter Fehler vor

Zur Vorgeschichte heißt es von der KVBB immerhin, man habe den Bau im August 1991 erworben. Damals habe ein bereits im März 1989 abgeschlossener Mietvertrag existiert, für den noch heute Bestandsschutz gelte. Erst nach mehrmaligen Nachfragen zur tatsächlichen Miethöhe veröffentlichte die KVBB am Dienstag dann eine Erklärung.

Demnach sei 2002 bei einer Vergrößerung der Wohnung ein Zusatzmietvertrag abgeschlossen worden, für den aktuell 6,13 Euro pro Quadratmeter und Monat an Kaltmiete gezahlt würden. Die Kaltmiete für den ursprünglichen DDR-Mietvertrag betrage 3,75 Euro pro Quadratmeter und Monat. Die Kaltmiete für die gesamte Wohnung belaufe sich auf 4,53 Euro pro Quadratmeter und Monat. Überdies wirft die KVBB ihrem Gutachten nun schwere redaktionelle Fehler vor.

Vermieter hätten Miete anheben können

Dennoch droht der KVBB nun einer Ermittlungsverfahren. Nach einer Strafanzeige hat die landesweit für Korruptionsdelikte zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin den Fall geprüft. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft mögliche Korruptionsstraftaten wegen Verjährung nicht mehr verfolgen. Es könnte jedoch Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Untreue gegen KVBB-Mitarbeiter geben.

Für Verwunderung sorgt der Preis auch beim Mieterbund des Landes Brandenburg. Dessen Vorsitzender Rainer Radloff sagte, zwar gebe es noch einen Bestand an DDR-Altverträgen, die auf niedrigem Mietniveau gestartet seien. Allerdings hätten Vermieter über 25 Jahre durchaus die Möglichkeit gehabt, die Mieten auf den ortsüblichen Mietzins anzuheben. Dies sei bei der KVBB allerdings offenbar nicht geschehen, „aus welchen Gründen auch immer“, sagte Radloff. Auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) findet den Mietvertrag bemerkenswert. „Man muss sich fragen, warum ein früherer Minister hier offenbar begünstigt wurde und ob es Gegenleistungen gab“, sagte Wolfgang Wodarg. Übrigens taxiert das Gutachten den Verkehrswert des Hauses auf 4,4 Millionen Euro. Die KVBB habe aber einen höheren Erlös erzielt, wie sie erklärte.

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