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Berlin: Ärzte fordern bessere Arbeitsbedingungen

Gewerkschaft beklagt Druck in Kliniken Brandenburg will gegen Medizinermangel vorgehen

Berlin / Potsdam - Viele Klinikärzte in der Region beschweren sich über schlechte Arbeitsbedingungen und zu lange Schichten. In einer Umfrage der Medizinergewerkschaft Marburger Bund (MB) unter rund 1000 Mitgliedern, wünschten sich die meisten Klinikärzte vor allem verträglichere Arbeitszeiten – noch deutlich vor höheren Löhnen. Dem MB gehören mit insgesamt 7000 Mitgliedern 50 Prozent der angestellten und verbeamteten Ärzte beider Bundesländer an. In Berlin sagte MB-Regional-Chef Kilian Tegethoff am Mittwoch, dass die Ärzte zunehmend unter der Fuchtel von Ökonomen stünden, die Renditeerwartungen an die Kliniken seien hoch.

Die Europäische Union hatte 2009 mit wenigen Ausnahmen 48 Arbeitsstunden pro Woche als Höchstgrenze festgelegt. Für die meisten Klinikärzte seien dem MB zufolge 52-Stunden-Wochen weiterhin üblich. „Viele Ärzte fühlen sich von Ökonomen fremdbestimmt“, erklärte Günther Jonitz, MB-Mitglied und Präsident der Berliner Ärztekammer. Druck herrsche in privatwirtschaftlich als auch öffentlich betriebenen Kliniken.

Die Hälfte der Krankenhausmediziner erwägt der Umfrage zufolge, den Job zu wechseln oder ins Ausland zu gehen. Besonders Brandenburg leidet derzeit unter Fachärztemangel. Udo Wolter, Präsident der Ärztekammer Brandenburg, sagte, in den Kliniken des Landes fehlten Dutzende Fachärzte, in den Praxen außerdem rund 200 Hausärzte. Viele Mediziner verließen die märkischen Krankenhäuser nach einigen Monaten wieder. Ein Grund sei die zunehmende Bürokratie. Ähnlich wie bei Schwestern und Pflegern bliebe für die Patienten immer weniger Zeit angesichts der zunehmenden Abrechnungsaufgaben seit der Einführung der sogenannten Fallpauschalen. „Viele brandenburgische Mediziner gehen wegen besserer Arbeitszeiten ins Ausland“, sagte Wolter. Schweiz, Österreich, Niederlande und die skandinavischen Länder seien beliebte Ziele.

Der Brandenburger Landtag will eine flächendeckende Gesundheitsversorgung nun durch stärkeren Einfluss der Länder sicherstellen: Mit breiter Mehrheit beschloss das Parlament am Mittwoch, dass die Bundesregierung zur Bekämpfung des Medizinermangels auf dem Lande zügig das geplante Versorgungsgesetz verabschieden müsse. Es gebe in vielen Landkreisen bereits „empfindliche Lücken“, sagte Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke).

In zwei Wochen könnten Ärzte aus Polen wegen der von der Europäischen Union durchgesetzten Arbeitnehmerfreizügigkeit vergleichsweise unbürokratisch in Brandenburg tätig werden. Doch dass ab 1. Mai polnische Fachärzte die leeren Klinikposten in Brandenburg besetzen, gilt als unwahrscheinlich. Die Ärztekammer-Präsidenten sind sich einig: „Viele Polen sind schon in England tätig, und diejenigen, die noch kommen, werden wohl auch weiter nach Westen ziehen.“ Außerdem sprächen gerade polnische Mediziner oft eher Englisch als Deutsch. In vielen Ländern Westeuropas würden sie außerdem mehr verdienen.

Derzeit fordert der MB für die Ärzte des Klinikkonzerns Helios – der in der Region drei Häuser betreibt – fünf Prozent mehr Lohn und bessere Vergütung der Nachtarbeit. Kürzlich hatten sich bundesweit fast 700 Helios-Ärzte bei der Konzernleitung über steigenden Arbeitsdruck beschwert. Nach zehn Dienstjahren verdient ein Helios-Arzt samt Nachtarbeitszuschlägen im Schnitt rund 6000 Euro brutto im Monat – 250 Euro weniger als in vielen anderen Kliniken.

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