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Berlin: Affäre um die Fähre

Ronald Kebelmann rudert seit zehn Jahren das BVG-Boot in Rahnsdorf. Der Konzern will ein großes Boot. Doch das wollen die Bürger nicht. 12 000 Menschen haben schon unterschrieben. Ein Besuch am Anleger.

Auch das ist Berlin: Pflastersteine, mit denen schon kaiserliche Kutschen ihre liebe Not gehabt haben, wenn sie die Dorfstraße entlanggerumpelt kamen. Alte ein- und zweistöckige Häuschen. Vorn Gärten, hinten Viehzucht. Wiesen. Heu. Honig von der eigenen Biene, frisches, warmes Ei. Die Kirche mit einer 125 Jahre alten Orgel. Andreas Thamm, der Fischer vom Müggelsee: Gleich nebenan duften seine Fänge im Rauch. Hmmm. Die Gaststätte Fährhaus mit frischem Zander im Freien.

Und dann dieser nostalgische Kahn, den jeder zu jeder Tageszeit (außer montags) benutzen und besetzen kann: Berlins einzige handbetriebene Ruderfähre, offiziell die „F 24“, von der Kruggasse dreißig Meter hinüber zu den Müggelheimer Spreewiesen und retour, Kurzstrecke mit BVG-Ticket, Muskelbetrieb und Fahrradtransport. „In Berlin gibt’s immer wieder neue Überraschungen, das hier ist so eine“, sagt ein Familienvater aus Gütersloh, nachdem er das blau-rote Bötchen samt Fährmann fotografiert hat. „Dass so etwas noch möglich ist – einfach toll!“, meint der Tourist und radelt weiter nach Müggelhort und Neu-Helgoland. Vorher aber unterschreibt er im Namen seiner Familie eine Petition, die ihm der Fährmann unter die Nase hält. „Hiermit protestieren wir gegen die Planungen des Senats, die historische Ruderfähre ab dem Jahr 2014 einzustellen. Wir unterstützen die Bemühungen zum Erhalt dieser einmaligen Fähre im Linienbetrieb und fordern die Verantwortlichen dazu auf, ihre Entscheidung zu überdenken“.

12 000 haben schon unterschrieben, die Liste liegt überall aus, nicht nur die Bewohner von Rahnsdorf und Müggelheim möchten die Fähre so, wie sie ist, behalten. Das Boot für acht Personen heißt eigentlich „Paule III“ und funktioniert seit 102 Jahren. Fischer Thamm nennt es „Senatsfähre“, weil die Linie Bau- und Verkehrssenator Michael Müller (SPD) untersteht, der nun dafür sorgen soll, dass „dieses Alleinstellungsmerkmal für Berlin“ nicht verloren geht. Betreiber des Bötchens ist die BVG, bei der das Land Berlin die Fähren vor jeder Saison bestellt, was sie im Falle Rahnsdorf noch nicht getan hat. Es war geplant, eine größere Linienfähre aus Stralsund im regulären Fahrbetrieb einzusetzen, aber dazu müsste aufwendig ein neuer Anlegesteg gebaut werden, was nach Lage der Dinge wegen der schmalen Müggelspree nicht möglich ist.

In einer Woche, am 24. August, ist ein großes Fischer- und Fährmannsfest, „da wollen wir bis auf 20 000 Unterschriften kommen – ein bisschen Stolz, dass es diese Fähre gibt, gehört bei uns dazu“, sagt Stefan Förster, der Vorsitzende vom Heimatverein Köpenick. Dieser Stolz auf ein schwimmendes Unikat sollte auch Senator Müller übermittelt werden, wenn ihn demnächst die Unterschriftenlisten von den Köpenickern erreichen. „Wenn die Fähre nämlich nicht verlängert wird, klappen wir am 3. Oktober in Rahnsdorf die Bürgersteige hoch“, befürchtet Andreas Thamm. Arbeitgeber des Fährmanns ist die Stern- und Kreisschifffahrt. Thamm: „Wer den Ruderer bezahlt, ist doch egal, Hauptsache, er rudert weiter!“

Und das tut Ronald Kebelmann mit Leidenschaft. Der Berliner mit den breiten Schultern, dem langen, auf die Schultern fallenden Haar, hat etwas Seemännisches. Seit zehn Jahren erwartet er an den Landungsbrückchen seine Kundschaft, Berliner, Touristen oder Müggelheimer, die schnell mal zum Fischeholen kommen. Das „Fährmann, hol über!“ lebt hier noch, Ronalds Kundendienst heißt „Ick komme!“. Dann legt er sich in die Riemen, erzählt über Rahnsdorf, reicht den Omas beim Einsteigen die Hand und hilft den Rollstuhlfahrern. Etwas Nostalgie schwimmt immer mit, wenn Ronald rüber- und nübermacht: Berlin ist eben doch ein Dorf. Jedenfalls in Rahnsdorf.

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