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Berlin: Akkusativ!

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Der EUParlamentarier Alexander Graf Lambsdorff hat gesagt, Bundeskanzler Gerhard Schröder dürfe zum 60. Jahrestag des Kriegsendes „nicht nach Moskau reisen, solange Putin sich nicht eindeutig zu Russlands Mitverantwortung für den Hitler-Stalin-Pakt, den Überfall auf Polen, der völkerrechtswidrigen Annexion der baltischen Staaten und den stalinistischen Verbrechen an den Völkern Osteuropas bekennt“.

Falls Graf Lambsdorff nicht fehlerhaft zitiert wurde, hat er sich bei der Aufzählung arg verheddert. Wozu soll sich Putin bekennen? Zur Mitverantwortung für bestimmte Taten. Diese müssen aber durchweg im Akkusativ aufgezählt werden, denn die Präposition für zeigt den vierten Fall an. Wie grotesk, dass hier auch der Dativ auftaucht! Der FDP-Politiker verlangt ja von Putin kein stolzes Bekenntnis zur „völkerrechtswidrigen Annexion ...“ und zu „stalinistischen Verbrechen ...“, sondern im Gegenteil das Bekenntnis zur Mitverantwortung für historische Schuld. Das Beispiel zeigt, zu welchen Missverständnissen der schlampige Umgang mit der Grammatik führen kann.

„Wir dürfen die Zukunft unserer Unternehmen und das Schicksal der Arbeitnehmer nicht Managern ohne sozialem Gewissen überlassen“, sagte IG-Metall-Chef Jürgen Peters. Hat er das wirklich so gesagt, ohne den Akkusativ nach ohne zu beachten? Oder wurde er fehlerhaft zitiert?

Im Abgeordnetenhaus wurde über den Rechtsextremismus debattiert. Fraktionschef Nicolas Zimmer (CDU) sprach im Hinblick auf den 8. Mai: „Man darf und muss allen unschuldigen Opfern gedenken.“ Doch man gedenkt nun mal der Opfer (im Genitiv), man gedenkt ihrer und nicht ihnen. Zimmers SPD-Kollege Michael Müller fand es unverständlich, dass Edmund Stoiber „wider besseren Wissens“ dem Kanzler „die Schuld am Erstarken des Rechtsextremismus gibt“. Man kann aber höchstens wider besseres Wissen (Akkusativ!) Falsches behaupten.

In der Grundschule haben wir gelernt, wie man Eselsbrücken fürs Leben baut. Durch, für, ohne, um, sonder, gegen, wider schreibe mit dem vierten Falle nieder. – Mit, nach, von, zu, seit, aus, bei fordert stets den dritten Fall. – Trotz, unweit, während, wegen, statt den zweiten Fall stets bei sich hat. Haben unsere Politiker so etwas nicht mehr gelernt? Oder sind ihnen Regeln einfach egal?

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