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Berlin: Aktenstau in den Sozialämtern

Bezirke können keine Rückforderungen stellen – und verlieren deshalb Geld

In den Sozialämtern stapeln sich die Akten. Akten, die geschlossen werden könnten, theoretisch. Praktisch ist das nicht möglich. Denn sie sind unbearbeitet und die Bezirke könnten deshalb einiges Geld verlieren. Dann nämlich, wenn die Akten nicht rechtzeitig geprüft werden und Verjährungsfristen verhindern, dass Rückforderungen gegenüber Versicherungen, Sozialhilfeempfängern oder deren Angehörigen geltend gemacht werden können.

Der Bundesrechnungshof hat moniert, dass die Akten in den Berliner Sozialämtern zu langsam bearbeitet werden. Es gehe um einen Betrag in zweistelliger Millionenhöhe. Die Rüge ist einige Monate alt, doch das Problem hat sich durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV sogar verschärft: Rund 275000 Akten sind ungeprüft. Etwas mehr als die Hälfte, rund 135000, sind durch HartzIV angefallen. Die einstigen Sozialhilfeempfänger werden inzwischen von den Jobcentern betreut. Ergebnis: Rund 80000 offene Akten in Mitte, 40000 in Friedrichshain-Kreuzberg, 26000 in Steglitz-Zehlendorf. Die meisten Bezirke würden bei derzeitiger Bearbeitungszeit noch Jahre brauchen, bis ihre Aktentürme sichtbar abnehmen. Das Problem ist: Die meisten Ansprüche verfallen nach drei Jahren.

Nun klagen die Bezirke, sie hätten zu wenig Personal, um die Akten fristgerecht zu bearbeiten. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) will ihnen ein Stück entgegenkommen. Der Mehraufwand durch Hartz IV werde ausgeglichen, sagt sein Sprecher Matthias Kolbeck. Für eine Akte soll es 50 Euro geben. Die Bezirke bekommen demnach rund 6,75 Millionen Euro. Doch sie wollen mehr: 75 Euro pro Akte, weil sie mit einer längeren Bearbeitungszeit rechnen als Sarrazin.

Das aber sieht der Finanzsenator nicht ein. Und ebenso wenig die Forderung, es möge Geld auch für jene Akten geben, die aus der Zeit vor HartzIV stammen. „Die Ämter haben durch Hartz IV mehr als die Hälfte ihrer Fälle abgegeben“, sagt Kolbeck. „Die Bezirke müssen ihren Beitrag leisten.“ Der SPD-Haushaltspolitiker Martin Matz wird deutlicher. Er wirft einigen Sozialstadträten schlechte Organisation vor: „Es ist doch komisch, dass in Steglitz-Zehlendorf doppelt so viele Akten liegen geblieben sind wie in Neukölln, wo es deutlich mehr Sozialhilfefälle gab.“ Stefan Wöpke (CDU), Sozialstadtrat in Steglitz-Zehlendorf wehrt sich gegen solche Kritik: „Ich bespreche mich regelmäßig mit den Kollegen in anderen Bezirken. Ich habe nicht den Eindruck, dass Steglitz-Zehlendorf schlechter dasteht als andere Bezirke.“ Wöpke machte unklare Vorgaben des Senats für Verzögerungen bei der Bearbeitung verantwortlich.

Das eigentliche Problem bleibt ungelöst: Niemand weiß genau, in welchem Verhältnis Bearbeitungsaufwand und finanzieller Nutzen stehen. Grünen-Finanzexperte Oliver Schruoffeneger fordert, die Verfahren zu vereinfachen. „Man sieht auf Anhieb, in welchen Fällen man Geld zurückholen kann. Die übrigen Akten sollte man schließen.“ Bei wenigen hundert Euro rechne sich der Aufwand wahrscheinlich nicht. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS) hält von diesem Vorschlag nichts. Ihre Sprecherin sagt: „Ob es berechtigte Ansprüche gibt, sieht man nur, wenn man sorgfältig prüft.“ mne

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