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numismata

© Uwe Steinert

Aktien-Messe: Anlage in Altpapier

Die Krise an den Finanzmärkten hat die aktuellen Aktienkurse abwärts rauschen lassen. Doch auf der Messe Numismata sind Aktien noch viel wert - bei den Sammlern historischer Wertpapiere.

Da ist sie, eine Aktie jener legendären Bank, die die Wirtschaftskrise einst ins Rollen brachte: Olivgrün, mit einem rosa Oval in der Mitte, umrahmt von einer Borte wie eine Stuckdecke. „Die ist von der Darmstädter und Nationalbank aus dem Jahr 1928“, sagt Matthias Schmitt und zeigt auf ein Bild im Katalog, den er für seine Kunden bereithält. „Diese Bank war für die Wirtschaftskrise 1929 das, was Lehman Brothers 2008 ist: Der erste Dominostein, der gefallen ist. “

Matthias Schmitt handelt mit Aktien – in Halle 26 des Messegeländes unterm Funkturm an einem Stand der Numismata, der „10. Internationalen Münztage mit Banknoten- und Wertpapierbörse“ am vergangenen Wochenende. Das Geschäft laufe trotz Finanzkrise bislang nicht schlechter als sonst, sagt Schmitt. Allzu viel haben seine Aktien nicht mit denen der Wallstreet und Frankfurter Börse zu tun: Sie sind historisch und damit einerseits nur Altpapier, andererseits begehrte Sammlerstücke.

Jene „Darmstädter“-Aktie etwa soll für mindestens 600 Euro verkauft werden, nicht bei der Messe, sondern bei der nächsten Auktion der Firma, für die Schmitt hier am Messestand steht: dem Historischen Wertpapierhaus aus dem bayerischen Zorneding. „Dann wird man sehen, wie sich die Krise bei uns auswirkt“, sagt Schmitt. Denn viele der deutschen und amerikanischen Sammler seien „auch an der Börse aktiv“, hätten wie andere Anleger Einbußen erlitten. Und würden nun ihre Sammlerstücke lieber loswerden, als neue zu kaufen.

Jetzt tritt ein grauhaariger Mann an den Stand, der wie so viele hier auf der Messe eine graue Altherren-Windjacke trägt: Er möchte eine Din-A-3 große chinesische Staatsanleihe aus dem Jahr 1913 verkaufen. „Aber nur, weil ich die doppelt habe“, sagt er, während er das gute Stück ausrollt. 70 Euro auf die Hand bietet ihm Schmitt dafür. „Sonst ist sie weniger wert, aber im Moment gibt es gerade wieder eine Klagewelle gegen die chinesische Regierung.“ Besitzer der alten Aktien wollten ausgezahlt werden. Schließlich ist die Akte in britischen Pfund ausgestellt, einer Währung, die es heute noch gibt. Dem älteren Sammler ist das egal. Er findet es sowieso „uninteressant, was heute so auf den Finanzplätzen der Welt los ist“. Und „richtige“ Aktien würde er nur dann nehmen, „wenn Sie mir welche schenken. Hauptsache, die Rente ist pünktlich auf meinem Konto.“

Die Aktien von heute könne man gar nicht mehr richtig anfassen, bemängelt ein weiterer Kunde im Rentenalter. Er stöbert in einem Holzkasten auf Schmitts Tisch, in dem vergilbte Blätter für drei Euro angeboten werden. Bis er ein Papier herauszieht, auf dem eine alte Dampflok zu sehen ist: „Die Aktie hier ist von einer amerikanischen Eisenbahngesellschaft. Ein geschichtliches Dokument des wirtschaftlichen Aufstiegs Amerikas“, sagt er begeistert und kauft sie.

Drei Euro für den amerikanischen Aufstieg – andere Kunden zahlen hier weit mehr. „Es ist Wahnsinn, wie viele von ihnen Russen sind“, sagt Schmitt. 17 000 Euro kostet die teuerste Aktie, die er anbietet: das Muster einer russischen Staatsanleihe von 1861. „Die reichen Russen holen ihr Kulturgut heim.“

Wie jener beleibte Mittvierziger, der sich Kyrill nennt, ein paar Stände weiter ein dickes Bündel 500-Euro-Scheine aus der Tasche holt und dem Verkäufer drei davon hinblättert. Schweiß läuft ihm bis in den Schnauzbart. In Russland gebe es viel „free money“, sagt er in gebrochenem Englisch. Nächstes Jahr seien seine Einkäufe viel mehr wert. Von der Wirtschaftskrise spüre man in Russland noch wenig – zumindest nicht unter den Milliardären.

Russen kaufen auch gern entwertete historische Papiere der Deutschen Bank, sagt Schmitt später. Es sei allerdings kein Russe gewesen, der vor einiger Zeit das wertvollste historische Wertpapier der Welt bei einer Auktion in London ersteigerte: „Die Aktie Nr.1 der Deutschen Bank aus dem Jahr 1873 ist mehr als 100 000 Euro wert.“ Die blaue Mauritius des Altpapiers. Daniela Martens

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