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Berlin: Aldi macht in Acryl

Die Supermarkt-Kette handelt jetzt Kandinskys und van Goghs

„Gemälde“ steht auf dem Kassenbon. Das ist doch etwas schlicht als Kaufzertifikat für einen echten Kandinsky. Hätte sich Aldi ein bisschen mehr Mühe geben können. Egal. Die Kassiererin, hübsch und blond, entdeckt mein Bild auf dem Laufband und hält für Augenblicke inne. Ja, sie schaut in die Kandinsky-Welt, wirkt wie entrückt. „Sehr schön“, sagt sie. Ein einzigartiger Moment. Da haben sich die 79,99 Euro für die „Hommage à Grohmannca“ schon bezahlt gemacht.

So ändern sich die Zeiten. Früher bekam man bei Aldi nicht mal Vollmilch, jetzt gibt es sogar „perfekte Gemäldereproduktionen weltberühmter Klassiker für Ihr Zuhause“, und zwar „einzigartig wie das Original“. Viele Klassiker sind es noch nicht: Monet, van Gogh und eben Kandinsky. Aber Aldi wird bestimmt bald nachlegen. Gestern war der Verkaufsstart. In der Aldi-Filiale am Potsdamer Platz wusste man noch gar nichts von der neuen Aktion. „Ist vielleicht Aldi-Süd. Wir haben jedenfalls nichts reinbekommen“, sagt die nette Mitarbeiterin beim Auspacken der Rollreisetaschen. Die sind auch neu im Sortiment.

Aldi in der Martin-Luther-Straße hat die neuen Gemälde schon. In einem großen sperrigen Karton kann man die Klassiker herausgrabbeln. Der lackierte Holzrahmen ist an den Ecken mit Styroporpuffern geschützt. Um alles herum eine schöne Plastikfolie, damit die „echte Leinwand“ keinen Schaden nimmt. Leider sind die Aldi-Tüten nicht groß genug für den Kandinsky.

Die Kassiererin findet das Gemälde, das sogar von hinten echt aussieht, übrigens zu teuer. Da ist sie d’accord mit Benjamin Schumann vom Kunst-Auktionshaus Jeschke in der Winterfeldtstraße. Schumann ist sogar kurzzeitig schockiert, als er den Originalpreis erfährt: „Großer Gott.“ Für 80 Euro bekommt der Liebhaber bei ihm signierte Original-Grafiken in limitierter Auflage. Schumann reibt kurz über die Farbfläche, konstatiert eine „leichte Erhabenheit“ und vermutet einen „Prägedruck“ in Acryl. Genaueres könne er aber auch nicht sagen. Aldi bleibt in seiner Beschreibung des Herstellungsverfahrens recht kryptisch: Alle Bilder besitzen eine „sichtbare Malstruktur, die in Anlehnung an das Original aufgebracht wurde.“

Experten, die anonym bleiben möchten, sehen den Ursprung der Bilder irgendwo in Südostasien. „Da gibt es Leute, die sehr schnell nach Vorlage malen können.“ Also doch ein Original? Ein echter Kandinsky aus China? Ein Mitarbeiter vom Antiquariat Mertens & Pomplun macht da wenig Hoffnung. „Das Problem ist der Wiederverkaufswert.“ Für Deko-Kunst würde niemand was zahlen. Praktisch wertlos, mein Kandinsky, aber einzigartig.

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