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© dpa

Alevitische Gemeinde: "Tatort" im Visier der Polizei

Die Berliner Polizei hat nach einer Anzeige der Alevitischen Gemeinde gegen den NDR ein Verfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Heute nachmittag demonstrierten Hunderte Gemeindemitglieder vor dem ARD-Hauptstadtstudio.

Nach dem umstrittenen ARD-"Tatort" mit dem Titel "Wem Ehre gebührt" vom 23. Dezember ermittelt die Berliner Polizei jetzt wegen Volksverhetzung. "Wir haben ein Verfahren eingeleitet", sagte ein Polizeisprecher in Berlin. Die Berliner Alevitische Gemeinde hatte gegen den für die "Tatort"-Folge verantwortlichen Norddeutschen Rundfunk Anzeige bei der Berliner Polizei erstattet. Gegen wen sich das Verfahren richte, werde sich erst im Laufe der Ermittlungen zeigen, sagte der Polizeisprecher

Die in Köln ansässige muslimische Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF) hatte im Zusammenhang mit dem "Tatort" angekündigt, sich mit allen friedlichen Mitteln gegen die Verleumdung und Verunglimpfung der Glaubensgemeinschaft zu wehren. Für den 29. Dezember hat die Gemeinde zu einer Demonstration in Köln aufgerufen.

Bereits an diesem Donnerstagnachmittag protestierten nach Polizeiangaben etwa 300 Vertreter der Aleviten in Berlin vor dem ARD-Hauptstadtstudio in Berlin-Mitte gegen den Film. Die Veranstalter hatten zunächst mit 2000 Demonstranten gerechnet. In dem Krimi mit der Schauspielerin Maria Furtwängler als Kommissarin ging es um einen Inzest-Fall in einer alevitischen Familie. Die Schwester der Schwangeren wird umgebracht, weil sie zur Aufklärung des Falls beitragen will. Die Aleviten werfen den "Tatort"-Machern vor, damit uralte Vorurteile wieder aufleben zu lassen und zu bestätigen. Die Regisseurin des Fernsehfilms, Angelina Maccarone, zeigte sich überrascht von der Kritik. Es sei ihr darum gegangen, "ein differenziertes Bild" zu zeichnen, sagte sie dem Deutschlandfunk. Sie habe aufzeigen wollen, dass es keine homogene Gruppe von Migranten gebe.

NDR betont Gesprächsbereitschaft, geht aber nicht auf Forderung nach Entschuldigung ein

Schon in osmanischer Zeit hätten Sunniten den Aleviten Inzest vorgeworfen, weil sie ihre religiösen Rituale gemeinsam mit Frauen und Kindern ausführten, hieß es dazu in einer Mitteilung der Alevitischen Gemeinde Deutschlands. Die Aleviten vertreten eine Glaubensrichtung des Islams. Nach eigenen Angaben leben in der Türkei 20 Millionen Aleviten. Maccarone sei bei den Recherchen im Vorfeld des Films nicht auf die Inzestvorwürfe gegen Aleviten aufmerksam geworden, betonte sie. Erst im Zuge der Proteste nach der Ausstrahlung habe sie erfahren, dass zu Zeiten des Osmanischen Reichs der Inzestvorwurf entstanden sei. Das Thema sexueller Missbrauch solle aber auf jeden Fall angeschaut werden, egal, um welche Gruppe es dabei gehe.

Der deutsche Dachverband der Aleviten forderte vom NDR eine "öffentliche Entschuldigung" und eine "Gegendarstellung". Der NDR bekräftigte sein Gesprächsangebot an die Alevitische Gemeinde Deutschland. Von einer "Entschuldigung" oder einer "Gegendarstellung" war nicht die Rede. Die eingereichte Strafanzeige wegen Volksverhetzung habe eine neue rechtliche Lage  geschaffen, die vor einem Treffen juristisch geklärt werden müsse, teilte der Sender mit. NDR-Programmdirektor Volker Herres hatte bereits zuvor betont, dass es in der "Tatort"-Folge nicht darum gegangen sei, religiöse Gefühle zu verletzen oder Vorurteile gegen die alevitische Glaubensgemeinschaft zu untermauern.(ctr/dpa/AFP)

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