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Berlin: Alles Meyer, oder was?

Jüdische Gemeinde wählte das Bündnis um Albert Meyer. Doch ob er Vorsitzender wird, ist unklar

Dem Chaos, in das die Jüdische Gemeinde in den letzten Monaten geraten war, folgte jetzt eine klare Ansage der Gemeindemitglieder: Mit überwältigender Mehrheit wählten sie am Sonntag die Kandidaten des Bündnisses „Kadima“ (Vorwärts) in die Repräsentantenversammlung. Von den 21 gewählten Vertretern gehören 16 „Kadima“ an. Spitzenkandidat Albert Meyer erzielte mit 1622 Stimmen das zweitbeste Ergebnis. Vor dem Rechtsanwalt liegt nur der amtierende Vorsitzende der Gemeinde, Alexander Brenner, der 1657 Stimmen erhielt.

Trotz Brenners Sieg dürfte der Wahl Meyers zum Vorsitzenden der Gemeinde nichts mehr im Wege stehen. Denn Brenner trat wie schon bei der letzten Wahl als unabhängiger Kandidat an. Unterstützung bei der für den 22. Oktober angesetzten Wahl zum Gemeindevorstand könnte er allein von vier Kandidaten der Wahlbündnisse „Shalom“, „Jüdische Einigkeit“ und „Für Gerechtigkeit“ bekommen, die je einen bis zwei Vertreter durchbrachten. „Für Gerechtigkeit“ gegenüber den russischsprachigen Zuwanderern tritt der aus der Sowjetunion stammende Kaufmann Michail Rebo an. Gescheitert sind so bekannte Gemeindepolitiker wie der liberale Rabbiner Walter Rothschild und die Antirassismus-Aktivistin Anetta Kahane.

„Wenn Kadima will, kann das Bündnis den gesamten Vorstand stellen“, kommentierte Alexander Brenner gestern den Wahlausgang. Allerdings sei die Gruppe so heterogen zusammengesetzt, dass nicht sicher sei, ob sie bis Oktober zusammenhalte. „Wir werden den Vorstand stellen“, betonte dagegen der Historiker und Kadima-Mitglied Julius Schoeps. Damit gäbe es klare Mehrheitsverhältnisse, denn der fünfköpfige Vorstand wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden. An einem Dauerstreit um Kompetenzen und die Sanierung der Gemeindekasse war der bisherige Vorstand unter dem Vorsitz Brenners gescheitert. Im März hatte die Repräsentantenversammlung beschlossen, sich aufzulösen, um Neuwahlen zu ermöglichen.

Albert Meyer will mit seiner Mannschaft, darunter die Unternehmerin Sylva Franke, der russisch-jüdische Musiker Mark Aizikovitch und die Studienrätin Jael Botsch-Fitterling, die Gemeinde vollkommen neu strukturieren. Er werde einen erfahrenen Geschäftsführer suchen, der die Gemeindefinanzen – mit einem Defizit von 1,5 Millionen Euro – sanieren soll, sagte Meyer im Wahlkampf.

Die Gemeinde sieht einem Vorsitzenden Meyer mit gemischten Gefühlen entgegen: Einerseits gilt der seit vielen Jahren in der Repräsentanz vertretene Anwalt als kompetent und durchsetzungsstark, bekannt ist er aber auch für lautstarke Auftritte. „Die Menschen wachsen mit ihren Aufgaben“, sagte dazu ein prominentes Gemeindemitglied, das nicht genannt werden will. Man könne nur hoffen, dass Meyer als Vorsitzender gelassener agieren werde, als in seiner Rolle als scharfer und oftmals polemischer Kritiker des alten Vorstands.

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