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Berlin: Allzu gut verwaltet Wie viel Polizei braucht die Stadt? DIE ANALYSE

Viele meinen, Berlin ist ausgepresst, noch mehr sparen geht nicht. Finanzsenator Thilo Sarrazin widerspricht: Die Stadt lebt über ihre Verhältnisse. Sie gibt 49 Prozent mehr aus, nimmt aber nur 25 Prozent mehr ein als die anderen Bundesländer. In einer neuen Serie analysieren wir die Situation. Und die Betroffenen äußern sich dazu. Das Thema heute lautet:

WIE RETTEN WIR BERLIN?

Berlin gab, legt man die Zahlen im Berliner Landeshaushalt zugrunde, im Jahr 2001 für seine Polizei knapp 1,2 Milliarden Euro aus. Das sind je Einwohner 153 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt und 46 Prozent mehr als in Hamburg. Wo gehen diese Mehrausgaben hin?

Für polizeiliche Hauptstadtaufgaben wendet Berlin jährlich rund 110 Millionen Euro auf, 35 Prozent davon werden dem Land vom Bund erstattet. Über den Rest soll mit dem Bund noch verhandelt werden. Der Löwenanteil der Mehrausgaben Berlins hat mit der Hauptstadtfunktion aber nichts zu tun, rechnete die Finanzverwaltung des Senats aus. Bereinigt um hauptstadtbedingte Aufgaben leistet Berlin sich 6,4 Polizeistellen pro 1000 Einwohner – mehr als doppelt soviel wie im Bundesdurchschnitt und 20 Prozent mehr als in Hamburg.

Deswegen patroullieren aber nicht mehr Polizisten auf den Straßen als anderswo. Berlin hat vor allem eine sehr große Polizeiverwaltung: 7400 Mitarbeiter, mehr als ein Drittel der Bediensteten, nehmen Verwaltungs und Serviceaufgaben wahr und stehen für den eigentlichen Polizeidienst gar nicht zur Verfügung. Das ist bundesweiter Rekord. Ein großer Teil der Mehrausgaben im Polizeietat kommt also der Schutz- und Kriminalpolizei gar nicht zugute.

Aber auch im Polizeivollzugsdienst hat Berlin mit 4,9 Beamten je 1000 Einwohner bundesweit die höchste Dichte. Hamburg hat pro 1000 Einwohner zehn Prozent weniger Vollzugsbeamte als Berlin, obwohl die Zahl der Straftaten je Einwohner um zehn Prozent höher ist (siehe Grafik).

Trotzdem schneidet die Hauptstadt in der Ermittlungsstatistik schlechter ab als andere: Bei Mord und Totschlag kommt hier jährlich knapp ein Fall auf 100 Vollzugsbeamte, in München dagegen 1,1 Fälle, in Frankfurt 1,2 Fälle, in Hamburg 1,5 Fälle und in Bremen sogar 2,3 Fälle. Folgt man den Zahlen aus der Finanzverwaltung, kommt man zu dem Schluss: Berlins Polizei ist im Bundesvergleich sehr viel besser ausgestattet, als dies durch hauptstadtbedingte Aufgaben oder Unterschiede in der Kriminalitätsstatistik zu rechtfertigen wäre.

Selbst wenn man Hamburg mit seiner deutlich höheren Kriminalitätsrate als Maßstab und nimmt und die Kosten für hauptstadtbedingte Sicherheitsaufgaben abzieht, gibt Berlin immer noch 250 Millionen Euro jährlich mehr aus, die weder durch den Hauptstadtfaktor noch durch höhere Kriminalität erklärt werden können. Das entspricht dem Zuschuss für eine ganze Universität oder den Kosten für 46000 Kita-Plätze oder den Ausgaben Berlins für alle Opern und Theater.

Finanzsenator Sarrazin weist immer wieder darauf hin, dass solche Mehrausgaben Jahr für Jahr aus Schulden, die das Land neu aufnehmen muss, finanziert werden. „Hätten wir seit 1991 jedes Jahr 250 Millionen Euro weniger für Polizei ausgegeben, dann hätten wir heute 4,4 Milliarden Euro weniger Schulden und müssten jährlich 220 Millionen Euro weniger Zinsen zahlen.“ Das heißt: Die Mehrausstattung im Polizeibereich muss doppelt bezahlt werden: 250 Millionen Euro unmittelbar als Polizeiausgaben und 220 Millionen Euro mittelbar als Schuldzinsen. Tsp

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