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Der Silberling - Vorderseite.

©  Staatliche Museen zu Berlin - Münzkabinett/Antonia Weiße

Alte Münzen in Berlin: So verlief die Odyssee der Quadriga

1945 wurde eine griechische Dekadrachme aus dem Münzkabinett gestohlen. Jetzt gelangte sie zurück.

Das ist doch mal eine tolle Meldung kurz vor Heiligabend, geradezu eine Weihnachtsüberraschung: Das Münzkabinett hat seine Riesenmünze zurück, und nicht etwa, wie man befürchten könnte, in kleine Stücke zersägt, sondern komplett.

Nun gut, es ist nicht das „Big Maple Leaf“ genannte 100-Kilo-Monstrum aus Gold mit dem Konterfei von Elizabeth II., das bekanntlich im März bei einem dreisten Einbruch im Bodemuseum gestohlen wurde und wahrscheinlich für immer verloren ist – geteilt, eingeschmolzen und in kleinen Portionen verscherbelt.

"Die größte Silbermünze der Antike aus Sizilien"

Die freudige Mitteilung, die am Freitag aus der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin an die Öffentlichkeit drang, galt vielmehr einem zwar ebenfalls großen, in den Maßen aber doch vergleichsweise bescheidenen Werk numismatischer Kunst: eine Dekadrachme, geprägt etwa 405–400 v. Chr., bei der es sich „um die größte Silbermünze der Antike aus Sizilien“ handele. Mit einem Durchmesser von 35 Millimetern und einem Gewicht von 43,12 Gramm diente sie nicht dazu, den Eintritt im Amphitheater oder ein Glas Wein in der nächsten Taverne zu bezahlen, sie wechselte vielmehr bei Großzahlungen den Besitzer, etwa um das Holz für eine neues Schiff zu bezahlen.

Schon damals war die Quadriga offenbar ein beliebtes Gespann, auch auf der Vorderseite der Münze jagt ein mutiger Wagenlenker seinem Ziel entgegen, von der über ihm fliegenden Siegesgöttin Nike mit dem Siegerkranz geschmückt – eine nicht ganz einleuchtende Szene: Da sie sich in hohem Tempo aufeinander zubewegen, könnte der Lorbeerkranz leicht verrutschen oder gar das Haupt des flotten Fahrers verfehlen. Und dies, obwohl die als Preis ausgesetzte Ausrüstung eines Hopliten, eines schwer bewaffneten altgriechischen Kriegers, im unteren Bereich der Münzvorderseite bereits bereitliegt.

Der Silberling - Rückseite
Der Silberling - Rückseite

© Staatliche Museen zu Berlin - Münzkabinett/Antonia Weiße

Die Rückseite, die als Münzstätte Syrakus am Ionischen Meer nennt, zeigt die Quellnymphe Arethusa, ein antikes Opfer sexueller Belästigung: Verfolgt von einem lüsternen Flussgott, rief sie die Göttin Artemis um Hilfe und wurde in eine Quelle verwandelt. Die vier den Nymphenkopf umkreisenden Delfine deuten auf das Quell-Heiligtum hin, das auf einer Felseninsel vor Syrakus lag. Im Haarband hat sich der Schöpfer der Münze, der Stempelschneider Kimon, mit seinen Anfangsbuchstaben verewigt. Zu seinen Zeiten erreichte die antike Münzkunst ihren Höhepunkt, ihr Zentrum war Syrakus, nicht Athen.

Erst in Berlin gestohlen, dann in Omaha

So viel zur Numismatik. Aber noch spannender – und dem traurigen Schicksal von „Big Maple Leaf“ an Dramatik durchaus ebenbürtig – ist die Geschichte des Silberlings. Im Jahre 1908 war sie in der Nähe von Syrakus gefunden worden, gelangte erst nach München und vier Jahre später über ein Auktionshaus in das Berliner Münzkabinett, wo sie erstmals 1914 mit allen bis dahin bekannten Dekadrachmen des Stempelschneiders Kimon ausgestellt wurde.

Na, hoffentlich ist die besser gesichert als die 'Big Maple Leaf!' ;-)

schreibt NutzerIn kraftsportler

In den Wirren des Kriegsendes 1945 wurden Münzen gestohlen und die so um einige Preziosen ärmere Sammlung 1946 in die Sowjetunion verschleppt. Nach der Rückerstattung im November 1958 an Ost-Berlin stellte man das Fehlen der Münze fest, doch wurde schon im Folgejahr entdeckt, dass sie sich in den USA befand, wie auch immer sie dorthin gelangt sein mag. Versuche, sie zurückzuerhalten, verliefen während des Kalten Krieges im Sande.

Gestohlen. Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "Big Maple Leaf"
Gestohlen. Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "Big Maple Leaf"

© dpa

Es fehlen dann für einige Jahre Informationen über den Verbleib der Dekadrachme. Bekannt ist aber, dass sie am 10. April 1965 dem damaligen Besitzer, einem Sammler in Omaha, gestohlen wurde. Mit anderem Diebesgut tauchte sie elf Jahre später wieder auf und die Erben des inzwischen verstorbenen Sammlers ließen sie in Zürich versteigern. 1997 kam es, wiederum in Zürich, zu einer erneuten Versteigerung.

Vor zwei Jahren, möglicherweise nach weiteren Besitzerwechseln, landete sie in einer Sammlung in New York. Auch dieser Münzfreund wollte sich wieder von ihr trennen und sie in diesem Jahr in Genf versteigern lassen, übergab sie aber doch an das Münzkabinett. Ermöglicht wurde die Rückkehr nach Berlin durch die Kulturstiftung der Länder und die Ernst von Siemens Kunststiftung. Es flossen Mittel in nicht genannter Höhe.

Im kommenden Jahr wird die Dekadrachme – für Bernhard Weisser, Direktor des Münzkabinetts, „eines unserer bedeutendsten Kunstwerke“ – in die Dauerausstellung kommen, präsentiert in einer Sondervitrine und versehen mit einer Dokumentation ihrer wechselhaften Geschichte. So viel Raum wie „Big Maple Leaf“ wird sie freilich nicht einnehmen.

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