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Berlin: Altenpflege: AOK: Mängel in Heimen zu lange geduldet

Nach der am Freitag angeordneten Schließung eines Spandauer Pflegeheims wegen gravierender Missstände hat die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Monika Helbig, gestern eine Überprüfung aller 266 stationären Pflegeeinrichtungen in Berlin gefordert. Dies sollen die Mitarbeiter der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) unangekündigt tun, um eine menschenwürdige Unterbringung aller rund 26 000 Bewohner in den Berliner Pflegeheimen zu sichern.

Nach der am Freitag angeordneten Schließung eines Spandauer Pflegeheims wegen gravierender Missstände hat die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Monika Helbig, gestern eine Überprüfung aller 266 stationären Pflegeeinrichtungen in Berlin gefordert. Dies sollen die Mitarbeiter der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) unangekündigt tun, um eine menschenwürdige Unterbringung aller rund 26 000 Bewohner in den Berliner Pflegeheimen zu sichern. Rolf Dieter Müller, Vorstand der bei der Überprüfung federführenden AOK, kritisierte, in der Vergangenheit habe die Heimaufsicht der Gesundheitsverwaltung Hinweise auf Mängel nicht schnell genug verfolgt. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat jetzt vor einem Personalnotstand in Heimen und Sozialstationen gewarnt.

Am "Haus Mannack" am Spandauer Burgwall sind Fenster und Türen verschlossen, auf Klopfen und Klingeln reagiert niemand. Der Betreiber ist telefonisch nicht zu erreichen. Die "Pflegeleitsätze" hängen noch an der Wand. Doch beherzigt wurden sie nicht ausreichend - die Berliner Heimaufsicht schloss die Einrichtung, nachdem MDK-Mitarbeiter sie inspiziert hatten. Ihr Befund: Mangelhafte Patientenbetreuung, wenig geschultes Personal, starke hygienische Mängel. Die alten Menschen mussten teils ins Krankenhaus und in andere Heime gebracht werden. "Das ist ein Verstoß gegen die Menschlichkeit. Die Leute haben Jahrzehnte hart gearbeitet, Inflation und Weltkriege mitgemacht und müssen ihr Leben auf diese Weise beschließen", sagt Ärztekammer-Präsident Günter Jonitz. "Still-Satt-Sauber"-Pflege nennt man die offenbar manchmal in Pflegeheimen übliche, lieblose Verwahrung älterer Menschen. Jonitz ist überzeugt, dass "es eine große Grauzone gibt".

Auch Marita Bauer, Geschäftsführerin des Berufsverbandes für Pflegeberufe, weiß von Mängeln. Mitunter müsse sich eine einzige Nachtschwester um vierzig, fünfzig hilflose Menschen kümmern. Ein großes Problem sei auch, dass viele Menschen ihre Haut "durchliegen", weil sie nicht gewendet werden, oder "austrocknen", weil sie nicht genügend Flüssigkeit bekommen. "Da müssen Sie sich neben den verwirrten Menschen setzen, ihm immer wieder einen Schluck anbieten, und dafür hat niemand Zeit." Statt wie bei Schlaganfallpatienten noch vorhandene Fähigkeiten zu trainieren, werde sie nur passiv verwahrt. Vieles gelange aber nicht in die Öffentlichkeit.

"Die Betroffenen trauen sich nicht, etwas zu sagen, weil sie Sanktionen fürchten". Weil der Pflegeberuf psychisch wie physisch sehr anstrengend und dabei schlecht bezahlt sei, würden immer mehr Fachkräfte auch von ambulanten Sozialstationen abwandern. Private Heime stellten mitunter, anders als per Quote empfohlen, weniger als 50 Prozent pflegerische Fachkräfte ein - auch, um Kosten zu sparen. "Die desolate Situation wird auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen, die selbst unter den Bedingungen leiden."

Während einer Anhörung im Gesundheitsausschuss am 25. Januar gab die BKK an, dass 1999 insgesamt 36 von 266 Heimen überprüft wurden. "Die überwiegende Zahl leistet gute Arbeit", sagte AOK-Präsident Müller am Sonntag. Ärztekammer-Präsident Günter Jonitz gab zu bedenken, dass in Berlin wegen des Altersdurchschnitts und der vielen Einpersonenhaushalte künftig immer mehr Menschen in Pflegeheimen untergebracht werden müssen.

Annette Kögel

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