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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller

© dpa

Berlins Misere: Am Ende ist Michael Müller verantwortlich

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller lobt die Arbeit des Senats – von vielen Berlinern wird das anders gesehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

„Rumpeleien“ gab es – hört sich fast nett an, wie der Regierende Bürgermeister am Freitag über das Verhältnis zum Partner CDU sprach. Nichts mehr vom Furor der Wutrede, die Michael Müllers Regierungserklärung kürzlich prägte. Als er den Innensenator indirekt beschimpfte, der rede sich an Abschiebungen „besoffen“, und von den eigenen Genossen gebremst werden musste, Sozialsenator Mario Czaja zu feuern. Da durfte man Schlimmes befürchten für die Senatsklausur am kommenden Mittwoch. Nun also milde Worte zum Wahljahr. Berlin wird gut regiert, meint Müller – „sachlich, unaufgeregt und konsequent“. Schön, dass das mal gesagt ist.

Kaputte Schulen, kaputte Straßen oder fehlende Wohnungen

Man könnte glatt auf den Gedanken kommen, der Regierende Bürgermeister habe endlich gemerkt, dass man zwar untergeordnete Senatoren herunterputzen kann, letztlich aber der Chef für alles verantwortlich gemacht wird, was schiefläuft. Das gilt nicht nur für das miserable Bild, das Berlin der Welt beim Flüchtlingsdrama bietet.

„Die Stadt vorangebracht“ zu haben, lobt Müller die Arbeit seines Senats – was freilich von vielen Berlinern anders gesehen wird. Selten stand die Stadt gleichzeitig vor so vielen Problemen. Die großen Chancen der wachsenden Metropole mit mehr Arbeitsplätzen, höheren Investitionen, einem Schuldenabbau sowie der Bereitschaft der Berliner, sich solidarisch um die Neuankömmlinge zu kümmern, werden derzeit belastet und kaputt gemacht durch eine Verwaltungsmisere, die Senatsbehörden wie Bezirksämter betrifft. Kaputte Schulen, kaputte Straßen oder fehlende Wohnungen – Berlin ist sicher kein „failed state“, die Zustände aber sind einer Hauptstadt nicht würdig. Angesichts der faktisch zusammengebrochenen Bürgerämter werden sich viele Berliner verhöhnt fühlen, wenn Müller sich für „mehr Bürgernähe“ lobt.

Die größte Herausforderung bleiben die Flüchtlinge. Müllers neuer Flüchtlings-Staatssekretär Dieter Glietsch scheint mit dem Drehen an vielen Stellschrauben die Situation am Lageso endlich etwas verbessert zu haben. Es fällt aber schwer, sich vorzustellen, wie bald 7000 Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld spannungsfrei zusammenleben sollen, ohne dass dort ein Ghetto entsteht. Und wie soll die noch schwierigere Aufgabe der Integration so vieler Menschen bewältigt werden, wenn das Land schon bei der Registrierung und Erstunterbringung an Grenzen stößt? Die Vorgänge in Köln und die Reaktionen darauf müssen den Senat alarmieren: Die Berliner haben ein Recht darauf, dass ihre Gastfreundschaft nicht mit neuen Angstzonen, sondern mit untadeligem Benehmen entgolten wird.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh fordert die Anerkennung demokratischer Werte. Toleranz und Gleichberechtigung als neue deutsche Leitkultur – für den Senat kann das die Richtschnur des Handelns sein. Vielleicht fallen nun deshalb bei Müller Abschiebungen nicht mehr in der Kategorie „besoffen“. Die Probleme zu bewältigen, ist eine gemeinsame Aufgabe, auch wenn die große Koalition sich nur noch auf kleinstem gemeinsamen Nenner trifft. Keinem der Partner wird verziehen, wenn er nicht bis zum Wahltag sein Bestes tut. Müllers Aufgabe ist es, diese Teamarbeit zu gewährleisten.

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