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Bizarre Situation vor dem Virchow-Klinikum: Polizisten und Rocker haben ein gemeinsames Ziel. André Sommer soll am Leben bleiben.

© dapd

André Sommer im Virchow-Klinikum: Rocker und Polizisten beschützen den Hells-Angels-Chef

Rocker und Beamte belagern das Virchow-Krankenhaus, wo sich der Hells-Angels-Chef André Sommer langsam von seinen Schussverletzungen erholt. Eine bizarre und gefährliche Situation.

Schon an der Einfahrt zum Virchow-Klinikum in Wedding stehen sie. Muskelbepackte Männer mit düsterem Blick. Es sind Mitglieder des Rockerklubs Hells Angels. Ihre Kutten mit den Insignien der Bruderschaft tragen sie nicht, aber auf ihren Sportjacken steht gut erkennbar Hells Angels. Sie wurden zum Virchow-Klinikum beordert – als Schutztruppe für André Sommer, den Chef der „Hells Angels Nomads“. Der war am Sonntagmorgen vor seiner Kneipe „Germanenhof“ in Hohenschönhausen angeschossen worden, mehrere Kugeln trafen ihn. Noch immer ist der 47-Jährige nicht vernehmungsfähig, noch immer liegt er auf der Intensivstation. Dem Vernehmen nach soll Sommers Ehefrau ins Gästehaus des Virchow-Klinikums eingezogen sein. Die Polizei soll inzwischen das letzte Projektil aus dem Rücken des Opfer bekommen haben. Die Patientenakten seien den Ermittlern aber weiterhin nicht ausgehändigt worden, da die Ehefrau die behandelnden Ärzte nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden hat.

Rockerkriminalität in Deutschland und Berlin:

Jetzt belagern die Rocker den Gehweg an der Klinikeinfahrt des Virchow-Klinikums in der Seestraße. Polizeibeamte in Zivil haben ebenfalls Stellung bezogen. In Sichtweite zu den Rockern sitzen sie in einem VW-Bus. Noch am Abend zuvor drohte die Lage zu eskalieren. 35 bis 50 Rocker versammelten sich vor der Klinik. Die Polizei schritt ein und erteilte ihnen Platzverweise.

Doch die Rocker sind weiter auf dem Klinikgelände präsent, allerdings ohne sich an der Kleidung als Hells Angels erkennen zu geben. Sie stehen unter den Bäumen auf dem zentralen Grünstreifen zwischen den Klinikgebäuden, beobachten die Lage und telefonieren. Es ist eine bizarre Situation: Rocker und Polizei belauern sich gegenseitig. Zivilbeamte mustern die Besucher der Klinik. Und zwischendrin laufen Ärzte und Krankenschwestern, Patienten sitzen auf den Bänken. Eine Grundschulklasse hat sich nach einem Klinikbesuch zur Brotpause auf dem Rasen niedergelassen.

Sechs Schüsse - und keine Spur vom Attentäter:

„Es ist wie immer“, sagt eine Verkäuferin am Klinikkiosk. Durch das Polizeiaufgebot und die Rocker fühle sie sich nicht beunruhigt. „Wir haben keine Angst, die Rocker greifen sich doch nur untereinander an. Ansonsten sind sie zu anderen Leuten immer nett.“ Die Polizei befürchtet jedoch, der bisher unbekannte Täter könnte versuchen, André Sommer doch noch zu töten – auch in der Klinik. In der Eingangshalle zur Unfallchirurgie sitzen zwei junge Beamte in Uniform. Sie beobachten, wer das Klinikgebäude betritt. Am Hintereingang steht ein Einsatzwagen. Mit dem Fahrstuhl geht es eine Etage hinauf zur Intensivstation, auf der Sommer liegt. Dort stehen mehrere Beamte, ausgerüstet mit schusssicheren Westen.

Über die Hintergründe der Tat weiß die Polizei bisher nichts. Ob die Schüsse auf André Sommer wegen einer Fehde in der Rockerszene fielen, die sich nach Verboten und Razzien, Übertritten und Auflösungen neu formiert, oder ob ein Revierstreit im Rotlichtmilieu dahintersteckt, ist weiter unklar. Fest steht inzwischen, dass die Rocker um André Sommer in der Auguststraße in Mitte ohne Erlaubnis ein Bordell eröffnet hatten. Das Bezirksamt leitete ein Unterlassungsverfahren ein. Alexander Fröhlich

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