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Licht ins Dunkel bringen. Wird das jetzt ein DJ-Konzert? Eine Tanzveranstaltung? Das Finanzamt guckt auch im Berghain hin.

© dpa/pa

Steuernachzahlungen: Angst vor einem Clubsterben in Berlin

Weil etliche Clubs Umsatzsteuer nachzahlen müssen, fürchten manche um die Musikszene der Stadt - und hoffen auf Rückendeckung aus der Politik.

Eigentlich geht es nachts ums Spaßhaben – doch auch in Berlin, der Hauptstadt der Clubkultur, steht der Finanzbeamte mit seinem Umsatzsteuer-Fragenkatalog immer mit an der Tanzfläche. Dass etliche Berliner Clubs nun hohe Steuerbeträge nachzahlen sollen, beunruhigt die Stadt. „Da sollte sich der Finanzsenator mit beschäftigen, es muss im Sinne der Betreiber, der Gäste und der Kulturstadt Berlin eine einheitliche Umgangsweise gefunden werden“, sagt Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister des Szenebezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Christian Tänzler, Sprecher der Hauptstadtvermarkter von „Visit Berlin“ betont, dass „Berlin auch wegen seiner Clubkultur bei Touristen so attraktiv ist“. Dieses Image sei wichtig für Gästezahlen und Umsatzbilanzen.

In Berlin zahlen etliche Clubbesitzer inzwischen nicht mehr Umsatzsteuer für „Party und Tanz“, das wären 19 Prozent vom Eintritt. Denn seitdem Techno- und Dancemusik mit kreativen Diskjockeys an den Mischpulten die Clubszene erobert haben, heißt es, dieses kreative Schaffen komme einem „Konzert“ gleich – und dafür sind nur sieben Prozent Umsatzsteuer vom Eintritt zu entrichten.

Viele Finanzbehörden sahen das genauso. Doch etliche Clubs und Veranstalter haben nun über Jahre rückwirkend Zahlungsaufforderungen über die Differenz von zwölf Prozent bekommen.

„Das mit der Steuereinstufung ist ein hochkomplexes Thema und je nach Amt und Beamten Auslegungssache“, sagt Marcus Trojan, Betreiber des „Weekend“-Clubs in Mitte. Auch er hat eine Zahlungsaufforderung bekommen, allerdings nur für ein Jahr. Trojan rechnet vor: Ein mittlerer Club hat rund 2000 zahlende Gäste die Woche, zehn Euro Eintritt sind Schnitt. Somit kommt man für kleine Läden auf 30 000 bis 50 000 Euro und für einen großen auf 200 000 Euro pro Jahr, die laut Bundesgesetz nachverlangt werden.

Lesen Sie auf Seite 2, warum wichtige Entscheidungen von einzelnen Beamten abhängen.

Zwar sei man als Geschäftsführer nicht persönlich in der Haftung, wenn das Gewerbe insolvent ginge. „Aber wenn jetzt Läden dichtmachen müssten, wäre das auch für die Clubszene Berlins eine Gefahr“, sagt Marcus Trojan. Er weiß, wie das ganze Steuerthema, das auch schon im Vorwahlkampf in Gesprächen mit den Spitzenkandidaten Renate Künast (Grüne) und Klaus Wowereit (SPD) thematisiert worden sei, überhaupt hochkam.

Vor ein paar Jahren wurde infolge der großen Techno-Paraden das „Mayday“-Urteil gefällt, nach dem öffentliche Tanzveranstaltungen mit DJs oben an den Turntable-Aufbauten als „Konzerte“, also steuermäßig günstiger eingestuft wurden. „Danach haben einige Clubbetreiber auch nur die sieben Prozent Umsatzsteuer beantragt, und sie wurde von den Finanzämtern genehmigt.“ Nach fünf Jahren aber kommt die nächste Steuerprüfung, und der Beamte kann das wieder anders einschätzen, als „Party und Tanz“, macht zwölf Prozent Steuereinnahmen mehr.

Auch die Hotelbettensteuer von nur noch sieben Prozent hat laut Trojan das Prozente-Thema ins Blickfeld gerückt. Die Möglichkeit der Steuerersparnis hat sich natürlich rumgesprochen. Neben dem Clubcommission-Verein gibt es auch den „Verband der Diskothekenbetreiber“, die jetzt hoffen, auch mit sieben statt 19 Prozent versteuern zu können. Prinzipiell sind „Konzerte“ mit Ticket frei zugänglich, es dürfte also keine Türsteher geben.

Im Internet wurde bereits auf der Seite des Electronic-Radios „BLN FM“ diskutiert, wie Finanzbeamte künftig „avancierte Klubnächte in Szeneclubs von Flatrate-Partys in Großraumdiskotheken“ unterscheiden können, die „konzertähnliche Tanzveranstaltung von einer ordinären Flirtparty in einer Diskothek“.

Auch Clubbetreiber Marcus Trojan hofft jetzt auf Rückendeckung des Berliner Senats, schließlich lebe die Stadt von ihrem kultigen Szene-Image. 30 Prozent der Touristen sind unter 30 Jahre, und sie bringen auch Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel Geld. Trojan: „In Hamburg unterstützt der Senat die Clubkultur sogar, indem er die Gema-Gebühren für wichtige Diskotheken zahlt.“

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