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Die Grundlagen müssen stimmen. Darum sind die ersten Schuljahre besonders wichtig.

© picture alliance / dpa

Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus: Mehr Deutsch und Mathe bringt nichts?

Warum liegen Berlins Grundschüler immer auf den hinteren Plätzen? Das wollten die Fraktionen wissen. Am Ende gab es neue Fragen.

Schlecht stand Berlin mal wieder da nach der letzten Grundschulstudie des Instituts für Qualität im Bildungswesen (IQB): auf den letzten Plätzen im Lesen, Rechnen und Schreiben. Die CDU mit ihrer bildungspolitischen Sprecherin Hildegard Bentele verlangte Aufklärung und setzte für Donnerstag eine Anhörung auf die Tagesordnung des Bildungsausschusses. Danach war mancher Zuhörer aber ratloser als vorher.

Sind Fachlehrer in der Grundschule wichtig?

Zwar gab die angehörte FU-Professorin Felicitas Thiel eine klare Linie vor, indem sie abermals einen „besseren Unterricht“ forderte. Zudem rieten Thiel und IQB-Vertreter Stefan Schipolowski, dass die Schulen die Leistungsentwicklung ihrer Schüler mehr im Blick haben müssten: Hamburg etwa mache Längsschnittstudien der Schülerkarrieren, was aufschlussreich sei. Dann aber war es mit der Klarheit vorbei, denn Thiel lobte Berlins reformierte Grundschullehrerausbildung mit den neuen Pflichtfächern Deutsch und Mathematik. Regina Kittler (Linke) erinnerte dann aber daran, dass es laut Zusammenfassung der IQB-Studie („Seite 31“) eben keinen Effekt habe, wenn der Grundschulunterricht von Fachlehrern erteilt werde. Wörtlich heißt es dort, dass der Unterschied "nicht signifikant" sei.

Ein klarer Widerspruch

Dieser - bislang kaum beachtete - Aspekt der IQB-Studie führte dann doch zu einigem Kopfschütteln, denn die Reform der Grundschullehrerausbildung war Berlin immerhin von „Pisa-Papst“ Jürgen Baumert empfohlen worden. Ein derartiger Widerspruch mache ihm „diese Studien verdächtig“, kommentierte FU-Grundschulforscher Jörg Ramseger den Vorgang. Hingegen meinte SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic, sie erkenne "keinen Grund, am Fokus auf Deutsch und Mathematik zu rütteln". Vielmehr wolle sie "warten, bis die Lehrkräfte an den Schulen angekommen sind und ihr Können im Vergleich auch gezeigt haben".

Sozialer Hintergrund? Keine Ahnung

Ratlosigkeit herrschte auch angesichts der Unmöglichkeit, die großen sozialen Unterschiede zwischen den Bundesländern mit den unterschiedlichen Schülerleistungen in Beziehung zu setzen. Zwar ist im Prinzip allen klar, dass die soziale Herkunft mitentscheidend für die Kompetenzen der Schüler ist. Nur - sauber analysieren lässt sich das mit Hilfe der IQB-Studie nicht, weil sie nur unvollständig Auskunft gibt über die Frage, welche Ausgangsbedingungen die Kinder haben.

IQB-Vertreter Schipolowski begründete dies damit, dass die Datenschutzbeauftragten der Länder es teilweise erschwerten oder unmöglich machten, den Eltern der untersuchten Kinder derartige Frage vorzulegen. Für Länder wie Berlin mit verhältnismäßig hoher Arbeitslosigkeit und überproportional hoher Armutszuwanderung entfällt somit die Möglichkeit, die schwachen Ergebnisse richtig einzuordnen.

Die Frage der Stundentafel

Paul Fresdorf (FDP) wollte noch bei der Anhörung wissen, welche Bedeutung die Anzahl der Unterrichtsstunden habe, und bezog sich auf Hamburg, das nach seinem schlechten IQB-Abschneiden 2011 die Zahl der Stunden in Deutsch und Mathematik drastisch angehoben hatte und bei der Folgestudie 2016 gut dastand. Thiel und Schipolowski antworteten, dass sie der Stundentafel kaum Bedeutung beimessen. Nach dem Ausschuss sagte Thiel auf Anfrage, mehr Stunden zu fordern, sei angesichts des Lehrermangels „nicht pragmatisch“. Ihr FU-Kollege Ramseger bekräftigte hingegen, es sei doch „logisch“, dass mehr Lernzeit hilfreich sei: Wie berichtet haben Hamburgs Erstklässer 27 Stunden, Berlins nur 20. Kittler meinte anschließend: „Darüber müssen wir diskutieren.“

Hamburg erteilt mehr Unterricht

Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) begründete die Stundenerhöhung gegenüber dem Tagesspiegel damit, dass "alle Kinder die Grundlagen lernen und beste Startchancen bekommen" sollten. Fachlichkeit und hohe Standards für alle Kinder hätten "für uns Vorrang gegenüber sehr ausgeprägten schulischen Profilen". Berlin stellt es den Schulen in den ersten zwei Jahren frei, wie viele Stunden in Deutsch und Mathematik unterrichtet werden. Zwar liegt der "empfohlene Richtwert" für Deutsch sogar höher als in Hamburg und in Mathematik etwa gleichauf - in Hamburg ist die Stundenzahl aber verbindlich, wohingegen in Berlin Deutsch- und Mathematikstunden zu Sachkunde verschoben werden können. Zudem haben die Hamburger vorgeschriebenen Theater- und Religionsunterricht. Insbesondere Theater gilt - vor allem in Brennpunktschulen mit hohem Migrantenanteil - als wichtiges Instrument beim Spracherwerb.

Wo bleibt das Geld für die Sprachförderung?

Lob gab es von Felicitas Thiel auch für das konsequente Hamburger Sprachförderkonzept. Diesen Hinweis fand SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic wichtig: "Ich will, dass die umfangreichen personellen Ressourcen, die wir in den Schulen für die Sprachförderung zur Verfügung stellen, auch tatsächlich bei den Schülerinnen und Schülern ankommen", sagte sie nach dem Ausschuss. Ein verschärftes Controlling wie in Hamburg könne "Teil der Lösung sein".

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