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Berlin: Anschlag oder "fehlgeleiteter Silvesterschuss"?: Die Kugel kam fast senkrecht von oben

Hektische Betriebsamkeit vor Walter Mompers Haus. Ein Wagen wird abgeschleppt, in die Lücke parken Polizeibeamte einen roten Audi ein, dem die Scheibe auf der Fahrerseite fehlt.

Von Frank Jansen

Hektische Betriebsamkeit vor Walter Mompers Haus. Ein Wagen wird abgeschleppt, in die Lücke parken Polizeibeamte einen roten Audi ein, dem die Scheibe auf der Fahrerseite fehlt. Momper kommt aus dem Haus, zusammen mit seiner Frau Anne. Zusammen diskutieren sie, ob ihr Wagen nicht doch ein paar Zentimeter weiter vorne gestanden habe, als der Schuss fiel.

Sechs Beamte des Landeskriminalamtes, Ballistik-Experten, betreiben hier Spurensuche. Denn bei den Ermittlungen zum Schuss auf den Wagen des früheren Regierenden Bürgermeisters und heutigen Vize-Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Walter Momper, tappt die Polizei noch völlig im Dunkeln: "Wir gehen davon aus, dass der Wagen getroffen wurde - wir können nicht sagen, dass auf den Wagen geschossen wurde", sagte ein Kriminalbeamter im Amt. Ein Bekennerschreiben wurde nicht gefunden. Es gab in den letzten Wochen auch keine Hinweise, die einen Polizeischutz für den SPD-Politiker gerechtfertigt hätten.

Walter Momper wollte sich nicht äußern. "Zu Sicherheitsfragen sage ich nichts", erklärte er dem Tagesspiegel, "denn das führt nur dazu, dass das ausgewertet wird, damit es später einer besser macht". Er habe keine Drohungen im Vorfeld bekommen. Wie ist seine Stimmung? "Mir geht es gut, das ist jetzt das Wichtigste." Seine Frau schaut sorgenvoll drein, schließlich war dies "mindestens der dritte Anschlag" auf ihren Mann. "Aber ich möchte dem Täter einfach nicht zugestehen, dass er die ganze Familie beunruhigt." Doch vor der Haustür steht jetzt ein Polizist.

Das 9-Millimeter-Projektil aus einer scharfen Waffe - vermutlich handelte es sich um eine ältere Pistole - hatte am Donnerstagabend die Seitenscheibe des an der Fichtestraße in Kreuzberg geparkten Wagens durchschlagen. Momper wollte gerade sein Haus betreten und war mehr als zehn Meter vom Auto entfernt. Er habe sich nicht in unmittelbarer Schussrichtung befunden, hieß es bei der Polizei. Hätte der Schütze Momper treffen wollen, hätte er weiter seitlich zielen müssen. Der SPD-Politiker habe den Wagen zuvor auch nicht bewegt.

Außerdem wurde das Projektil offenbar auf dem Boden in Mompers Audi gefunden und nicht in einer Kopfstütze, wie gestern bei der Polizei zu erfahren war. Demnach hatte das Projektil gerade noch genügend Wucht, um die Scheibe zu durchschlagen, aber nicht mehr den Wagenboden. Dort blieb das Geschoss stecken. Diese Version spricht gegen einen gezielten Schuss.

Obwohl ein Anschlag auf Momper nicht ausgeschlossen wird und der Politiker sowie seine Familie nun unter Polizeischutz stehen, hält die Polizei einen "fehlgeleiteten Silvesterschuss" für durchaus denkbar. Dies sei für diese Kreuzberger Gegend nicht ungewöhnlich, sagte ein Ermittler. Man habe in der Vergangenheit bereits mehrere Projektile sichergestellt. Diese sollen nun beim Bundeskriminalamt mit dem Geschoss aus Mompers Wagen verglichen werden.

Der SPD-Politiker hatte, wie berichtet, von dem Schuss nichts bemerkt. Er stellte lediglich ein Loch in der Seitenscheibe seines Autos fest und brachte es zur Reparatur in die Werkstatt. Dort fanden Mechaniker das Geschoss. Am Freitagabend wurde das inzwischen reparierte Auto schon einmal von der Polizei zurückgebracht und "annähernd" auf dem alten Parkplatz abgestellt und untersucht. Anhand eventuell noch vorhandener Spuren versuchten Kriminaltechniker gestern noch einmal herauszufinden, von wo der Schuss abgefeuert worden sein könnte.

Von wo gefeuert wurde, wird die Polizei nur mit viel Mühe herausfinden. Die durchlöcherte Scheibe, anhand derer der Schusswinkel ungefähr hätte bestimmt werden können, existiert nicht mehr. In einem Punkt sind sich die Kriminalisten aber bereits beinahe sicher: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde der Schuss nicht von ebener Erde aus abgefeuert, sondern von einem erhöhten Standpunkt. Nachdem die Kriminaltechniker gestern ihre Messungen vorgenommen haben, sei es eventuell möglich, den Standort des Schützen festzustellen. Danach werden die Ergebnisse mit Aussagen von Nachbarn verglichen.

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