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Berlin: Antisemitismus an Schulen nimmt zu

Aufarbeitung des Holocaust im Geschichtsunterricht in der Kritik. Pädagogen erproben neue Methoden

Der Holocaust als Argument gegen Antisemitismus wirkt nicht mehr: Lehrer scheitern zunehmend dabei, mit Gedenkstättenfahrten und Auschwitzbildern ihre Schüler gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit stark zu machen. Stattdessen nehmen antisemitische Tendenzen in den Schulen zu. Jetzt sollen neue Unterrichtskonzepte Abhilfe schaffen.

Der Handlungsdruck ist groß. „Lehrer erzählen vermehrt von antisemitischen Äußerungen der Schüler“, berichtet Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU. Immer häufiger kämen diese Äußerungen nicht nur von deutscher oder arabischer, sondern auch von türkischer Seite. Wetzel nennt dafür zwei Gründe – den Nahostkonflikt und die fehlgeschlagene Integration: „Die Jugendlichen fühlen sich hier im Land als Abschaum und suchen einen Sündenbock.“ Mit der herkömmlichen HolocaustErziehung und der „Betroffenheitspädagogik“ komme man da nicht weiter. Was man jetzt brauche, seien neue Herangehensweisen.

Der Bundespräsident war mit seiner Rede in Israel am Mittwoch nicht der Erste, der auf den wachsenden Antisemitismus hingewiesen und ein entschiedeneres Gegensteuern von Eltern und Lehrern gefordert hat. Einen ähnlichen Appell gab es auch nach der Berliner OSZE-Konferenz im Jahr 2004, die sich mit dem international wachsenden Antisemitismus beschäftigt hatte.

Jetzt haben Berliner Pädagogen und Wissenschaftler darauf reagiert und ein aufwändiges Fortbildungsprogramm für Lehrer initiiert, das am 16. Februar in der Friedrich-Ebert-Stiftung beginnt. Es wird vom Landesinstitut für Schule und Medien, vom American Jewish Committee und dem Zentrum für Antisemitismusforschung begleitet. Federführend sind Lehrer, die seit Jahren als „Standpunkt-Pädagogen“ Fortbildungen gegen Rechtsextremismus organisieren.

„Juden sind die Menschen, die Geld dafür kriegen, dass ihre Eltern ermordet wurden“, habe kürzlich ein Kreuzberger Gymnasiast seinen Lehrer wissen lassen“, berichtet Michael Rump-Räuber, der als Pädagoge die „Standpunkt“-Veranstaltungen betreut. Er hat wie Juliane Wetzel von der TU die Erfahrung gemacht, dass der herkömmliche Holocaust-Unterricht eher zu einem Überdruss auf Seiten der Schüler führt. Er empfiehlt, die Biografien der Opfer und Täter anzusehen und sich auf diese Weise dem Holocaust zu nähern. Auch Zeitzeugengespräche seien sehr wichtig.

Eine CD-Rom soll die Ergebnisse der einjährigen Lehrerfortbildung bei der Ebert-Stiftung einem möglichst großen Pädagogenkreis zugänglich machen. Dabei sollen auch Themen wie „Islamischer Antisemitismus“ und „Israelkritik“ behandelt werden. Begleitend gibt es für 20 Jugendliche von drei Berliner Gesamtschulen eine Extra-Fortbildung. Sie sollen als „Peer-Leader“ unter ihren Altersgenossen dazu beitragen, „antisemitische Stereotypen und rassistische Vorurteile“ zurückzudrängen, kündigt die Ebert-Stiftung an. Im März geht es in Neukölln, Pankow und Lichtenberg los.

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