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Schock in der Morgenstunde. Thilo Sarrazin kandidiere für Berlins FDP, meldete heute früh der Tagesspiegel. Ein Aprilscherz – aber gar nicht mal so abwegig.

©  Thilo Rückeis

Sarrazin und die Berliner FDP: Aprilscherz mit Hintergrund

Bestseller-Autor und Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin kandidiert nicht für die FDP – aber bei den Berliner Liberalen halten sie durchaus etwas von ihm.

Die ersten verunsicherten Parteimitglieder ließen gleich am Freitagmorgen die Telefone bei der Berliner FDP klingeln. „Wir haben einige besorgte Anrufe bekommen“, sagt Partei- und Fraktionssprecher Berten. Und auch manche Journalistenkollegen fragten interessiert bei den Liberalen nach, was denn an der Meldung dran sei, die der Tagesspiegel da am Freitagmorgen weltexklusiv in der Zeitung und online hatte, Überschrift „Sarrazin kandidiert für die FDP“. Die meisten Leser schalteten allerdings schnell und merkten: Eine derartige Meldung am 1. April sollte man nicht unbedingt für bare Münze nehmen. So hätten sich dann auch viele Anrufer bei der FDP geäußert, sagt Berten: „Ein gelungener Aprilscherz, der große Heiterkeit ausgelöst hat.“ Thilo Sarrazin war am Freitag für den Tagesspiegel nicht zu erreichen.

FDP-Landes- und Fraktionschef Christoph Meyer konnte dem Scherz einiges abgewinnen. „Ich glaube, dass Thilo Sarrazin mit seinem Buch und vorher schon als Finanzsenator den Finger in die Wunde gelegt hat“, sagte Meyer, „aber ein Drittel von dem, was er sagt, geht über das Ziel hinaus und ist falsch.“ Mit Thesen wie denen über die Intelligenz von Einwandererkindern habe Sarrazin vermutlich gespielt, um sein Buch vermarkten zu können. Als Finanzsenator habe Sarrazin aber mehr für Berlin getan als sein Nachfolger Ulrich Nußbaum.

Nichts sagen wollte Meyer zu der Frage, ob er eine FDP-Mitgliedschaft mal mit Sarrazin erörtert habe. Sarrazin habe jetzt ein Parteiausschlussverfahren durchzustehen, so Meyer. Andere Berliner Liberale stellen ganz gern eine gewisse Nähe zwischen dem provokationsbegabten Kritiker der deutschen Multikulti-Ideologie Sarrazin und dem liberalen Integrationskonzept her. Vor Wochen bestritt Buchautor Sarrazin einen Abend in Mahlsdorf, zu dem der FDP-Abgeordnete Sebastian Czaja eingeladen hatte. Eine Stunde lang referierte Sarrazin über das Einwanderungsland Deutschland und seine Schwierigkeiten, Migranten etwas abzuverlangen – ganze drei Fragen hatte er danach zu beantworten. Die Leute hätten den Eindruck gehabt, Sarrazin beschreibe die Wirklichkeit so perfekt, dass man nichts mehr sagen müsse, so Czaja.

Das Konzept zur Integrationspolitik liest sich ebenfalls, als habe ihm Sarrazin den Geist der Kritik an sozialstaats-alimentierter Passivität eingehaucht. Eigenverantwortung, Anstrengung, Leistung - das wollen die Liberalen auch von Migranten sehen, den „Zuzug in die Sozialsysteme“ jedoch wollen sie stoppen. Da provozieren die Liberalen so gern wie Sarrazin: Wer dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, weil er eine Burka trägt, soll auch keinen Anspruch auf Grundsicherung haben, fordern sie.

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