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© dpa

Arbeitskampf: Auch im Landesdienst droht ein Streik

Es ist kein Aufatmen, nur ein Durchatmen: Bei der BVG ist ein erneuter Streik vorerst abgewendet, aber im Berliner öffentlichen Dienst geht es erst richtig los. Die Gewerkschaften bereiten derzeit Urabstimmungen vor. Betroffen wären unter anderem Kitas und die Polizei.

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Der Streik bei der BVG ist ausgesetzt – der Konflikt aber noch lange nicht vom Tisch. Sollten die gestern überraschend aufgenommenen Tarifverhandlungen scheitern, kann die Gewerkschaft Verdi Bahnen und Busse wieder stillstehen lassen; wie bereits 15 Tage lang vor Ostern. „Die große Lösung haben wir noch nicht gefunden“, betonte Verdi-Sprecher Andreas Splanemann.

Beim Spitzengespräch von Verdi-Landeschefin Susanne Stumpenhusen, BVG-Vorstand Andreas Sturmowski und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) am späten Montagabend im Hotel Palace hatte es ein Wechselbad der Gefühle gegeben. Lange war unklar, ob die Gruppe eine Basis für Verhandlungen der Tarifparteien finden würde. Stumpenhusen hatte überraschend Verdi-Verhandlungsführer Frank Bäsler mit in die Runde gebracht, der bisher die Gespräche mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) geführt hatte. Dort hatten sich beide Seiten festgefahren. Durch Bäslers Teilnahme sollte offenbar verhindert werden, dass er später auf eine härtere Gangart umschwenkt. Kurz nach Mitternacht, nach zahlreichen Raucherpausen, hatte sich die Gruppe dann so weit geeinigt, dass Verdi den bereits begonnenen Streik in letzter Minute doch abblasen konnte. Man habe sich darauf geeinigt, „Verhandlungen über Einkommensverbesserungen für alle BVG-Beschäftigten im Rahmen von zusätzlich 24 Millionen Euro für zwei Jahre“ aufzunehmen, teilte die Finanzverwaltung des Senats gestern mit. Für die Neu-Beschäftigten des Unternehmens (ab 2006 eingestellt) wolle man sich am Potsdamer Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen orientieren, sagte die Sprecherin der Verwaltung, Kristina Tschennet. Für die Alt-Beschäftigten streben die öffentlichen Arbeitgeber einen „niedrigeren Prozentsatz“ an.

In Potsdam waren acht Prozent mehr Gehalt und Einmalzahlungen für die Beschäftigten vereinbart worden. Im Gegenzug soll die Arbeitzeit geringfügig erhöht werden. Ob auch bei der BVG über längere Arbeitszeiten verhandelt wird, blieb gestern offen. Über die Details der weiteren Verhandlungen haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Der Verkehrsexperte der SPD, Christian Gaebler, mahnte gestern an, dass der Tarifabschluss „nicht zu Lasten der Fahrgäste gehen darf“. Gemeint sind damit höhere Fahrpreise. Außerdem wäre es ein falsches Signal, wenn sich die BVG wegen höherer Personalkosten zusätzlich verschulden müsste.

Gaebler sieht bei dem landeseigenen Unternehmen noch „Effizienzreserven“, die nun ausgeschöpft werden sollten. Das gelte für die Struktur und Ausstattung der BVG-Vorstandsetage, für das Beschaffungswesen und die Organisation. Auch seine Kollegin von der Linksfraktion, Jutta Matuschek, freute sich, dass der Streik vermieden worden ist und jetzt verhandelt wird. Bisher hatte es nach Verdi-Lesart nur unverbindliche Gespräche gegeben; gestreikt worden war aber trotzdem.

Ein Arbeitskampf droht unterdessen auch im Berliner öffentlichen Dienst – bei Senats- und Bezirksverwaltungen, in Kindertagesstätten, bei der Polizei und den nachgeordneten Einrichtungen. Verdi, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bereiten derzeit die Urabstimmung für einen Streik vor; die Stimmzettel sind schon gedruckt. Ab dem 10. April sollen die Gewerkschaftsmitglieder über einen Arbeitskampf entscheiden. Parallel dazu soll es einen eintägigen Warnstreik geben. Die Abstimmung wird sich über mehr als zwei Wochen hinziehen. Das Ergebnis soll am 28. April bekanntgegeben werden. Diese Zeit benötige man, da man die Beschäftigten in ihren Dienststellen aufsuchen müsse, sagte GEW-Sprecher Peter Sinram. Deshalb kann frühestens in den letzten Tagen dieses Monats gestreikt werden. Durch den Potsdamer Abschluss vom Montag für Bund und Kommunen rechnet Verdi-Chefin Stumpenhusen mit Rückenwind für einen Streik. Die bundesweite Vereinbarung betrifft Berlin nicht. Seit 2003 gelten hier die Regelungen des Solidarpaktes, der eine Kürzung von Arbeitszeit und Gehältern vorsieht und gleichzeitig betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2009 ausschließt.

Gestern tagte die Tarifkommission der Gewerkschaften, um ihr weiteres Vorgehen abzustimmen. Harte Kritik übte Verdi-Verhandlungsführerin Astrid Westhoff an Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Dessen Einladung zu Gesprächen am 16. April bezeichnete sie als „Unverschämtheit“. Zu diesem Zeitpunkt laufe die Urabstimmung. Die Gewerkschaften wollen Körting auffordern, die Gespräche bis zum 9. April aufzunehmen: „Sonst macht es keinen Sinn mehr.“ Bisher fordern die Gewerkschaften in Berlin schrittweise drei Einmalzahlungen von jeweils 300 Euro sowie 2,9 Prozent mehr Gehalt für die rund 40 000 Angestellten des Landes. Bei den etwa 10 000 Arbeitern orientiert sich die Forderung an dem Potsdamer Vertrag, der stufenweise acht Prozent innerhalb von zwei Jahren vorsieht. Senatssprecher Richard Meng verwies gestern darauf, dass sich an der Berliner Situation auch nach der Einigung auf Bundesebene nichts geändert habe. Der Senat lehnt die von den Gewerkschaften geforderte Erhöhung ab.

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