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Das Haus von oben in Google Maps.

© Tsp

Architektur: Berlin hat ein Dach in Busenform

Der Werber Jean-Remy von Matt hat das Dach seines Penthouses in Mitte in Form eines Busens gestaltet. Um dies zu sehen, muss man sich aber in luftige Höhen begeben.

Da hat einer der Liebe seines Lebens ein Denkmal gesetzt: Ein Jahr vor dem (rechnerischen) Renteneintritt hat Werber Jean-Remy von Matt sein Penthouse in Mitte mit der Nachbildung des Busens seiner 16 Jahren jüngeren Ehefrau gekrönt. Nach dem Streit um die Verhüllung der klassischen Skulptur einer Barbusigen am Giebel des Zehlendorfer Sitzes vom Emirat Katar, müsste diese neue erotische Dimension in der Baukunst eigentlich für einen Skandal taugen.

Aber mitnichten, der Busen bringt zunächst vor allem den Blätterwald in Erregung – und den geschäftstüchtigen Unternehmer wieder in alle Munde. Aber nur, weil es gar nicht so einfach ist, sich ein Bild dieses Busens zu machen. Dazu muss man aus luftiger Höhe das Gebäude überfliegen, eine Drohne steigen lassen – oder Google Earth zu Rate ziehen. Und auch dann braucht es schon einige Fantasie um in der konvexen Wölbung mit dem kreisrunden Kamin eine Brust mit Warze zu erkennen.

 Die schönste aller Formen

Da ist es gut, dass deren geistiger Vater im Magazin des Handelsblattes die Deutung gleich mitlieferte: „Was für mich die schönste Form" ist, wird von Matt vom Blatt zitiert, habe ihn der Architekt gefragt, der das Penthouse gestaltete. Nicht eine Kuppel, nicht ein Zelt und auch nicht Wellen seien das für von Matt – sondern die Brust seiner Frau.

Weil das Offensichtliche auf dem Dach dem Blicke der Massen entzogen bleibt, nehmen die Verantwortlichen im Bezirk Mitte den Gag gelassen. Baustadtrat Ephraim Gothe, der erst über die Tagesspiegel-Anfrage von der Exhibition in luftiger Höhe erfuhr, sagte: „Ich würde mich darüber nicht aufregen, zumal das nicht präsent ist im Straßenraum.“ Und die Präsidentin der Architektenkammer Christine Edmaier, im Urlaub von der Anfrage brüskiert, entfährt ein Seufzer, „Ach Gott!“ – und lachend sagt sie dann weiter: „Als weibliche Architektin fühle ich mich für die Bewertung dieser Art von Baukunst nicht zuständig.“

Explizite Botschaft. Der Schriftzug auf dem Haus des Werbers von Matt.
Explizite Botschaft. Der Schriftzug auf dem Haus des Werbers von Matt.

© imago/Gustavo Alabiso

Die Kunst hat es schwer

Das Explizite in der Baukunst ist eben ein eher neues Genre. Architekturtheoretisch wäre es wohl am ehesten mit Jacques Derridas „Phallozentrismus“ zu greifen. Wobei: Mit diesem Begriff hatte der französische Dekonstruktivist eher (platt gesagt) die latente Triebfeder männlichen Denkens und dessen blinde Flecken offenzulegen versucht. Dagegen liegt in der neuesten Berliner Spielart konstruktiver Erotik ja ganz im Gegenteil alles offen zutage.

Andererseits hat auch das Explizite im Stadtraum immer schon seinen Platz gehabt. So wurden vor allem weniger gelungene Entwürfe himmelstürmender Türme als Phantasmen ihrer Schöpfer verhöhnt, schiefe Sinnbilder allmächtiger Schaffenskraft, um nicht zu sagen Potenz.

Kurzum: der zur Schau gestellte Phallus. Einfach „verstörend“ („embarassing“), das „unverhohlen phallischste Gebäude, das ich jemals gesehen habe“, nannte einmal der Kolumnist und Schriftsteller Jonathan Ames das Bankgebäude in Williamsburg eines weniger beachteten Architekten. Und die Hochhauspläne von Donald Trumps liebem Schwiegersohn Jared Kushner für New York werden im Netz allenthalben als „100 Prozent glass Dildo“ verlacht sowie als Symptom eines Patienten, mit dem „Freud in 5 Sekunden durchgewesen wäre“ – des „Teufels Dildo“ halt.

Den „Telespargel“ in Berlin würden allenfalls böse Zungen in die Nähe jener gar zu expliziten Leugnungen männlicher Kastrationsangst (Freud) rücken - wobei...

Könnte man Mittes neuste nackte Tatsache nicht als zeitgenössische Adaptation klassischer Motive der (Bau-)Kunst deuten? Die nackte Brust Jeanne d’Arcs, die barbusige Diana, Göttin der Jagd, die Venus, aus dem Schaum Geborene – allesamt nackt! Schön und gut, nur dass das Sublime in diesen Kunstwerken eben die Kunst ist zu sublimieren. Der Blick aufs Objekt dagegen ist „echt Porno“. Also doch eher Jeff Koons als Michelangelo. Der Bauherr des Altbaus mit dem sanft gewölbten Abschluss war am Montag nicht für Rückfragen zu erreichen. Ist es also Kunst oder kann das weg?

Die britische Künstlerin Sarah Lucas hat die Zurschaustellung von Erregung durch eines ihrer Werke so kommentiert: „It sucks“ (es nervt). Das ist der Titel einer sarkastischen Plastik, die Explizites ganz einfach so bloß stellt: Zwei Bälle in einem Büstenhalter auf hochhackigen Schuhen abgelegt.

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