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Noch ist die ehemalige Kasernenstadt unbewohnbar und darf nicht betreten werden. Das soll sich aber ändern, um Flüchtlinge hier unterzubringen.

© dpa

Asylbewerber in Rechten-Hochburg: 1200 Flüchtlinge sollen nach Waldstadt Wünsdorf

Brandenburg prüft eine Erstaufnahmeeinrichtung für etwa 1200 Asylbewerber in der Waldstadt Wünsdorf. Die gehört zu Zossen, das als Hochburg der rechtsextremen Szene gilt. Die Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht" bietet dem Innenminister Unterstützung an.

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Im Land Brandenburg sollen jetzt Behörden umgesiedelt werden, um Flüchtlinge unterzubringen. Innenminister Karl- Heinz Schröter (SPD) prüft eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 1200 Asylbewerber in der Waldstadt Wünsdorf, ein einst von den sowjetischen Streitkräften genutztes Militärareal. Es gehört als Ortsteil zur Stadt Zossen und liegt etwa vierzig Kilometer südlich von Berlin. Bislang sind dort Landesbehörden untergebracht.

Auf den ersten Blick überraschend, hat Schröter die Pläne am Wochenende bekannt gegeben. Sie sind nicht ohne Brisanz, da Zossen als eine Hochburg der rechtsextremen Szene gilt. So gab es dort 2010 einen Brandanschlag von Neonazis auf das „Haus der Demokratie“ und 2009 mehrere antisemitische Aktionen, worauf sich die Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht" gründete.

Bürgerinitiative "Gesicht zeigen" fordert transparente Informationen

Deren Sprecher Jörg Wanke sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, dass man in Zossen allerdings keineswegs überrascht von Schröters Plänen ist. Im Gegenteil: „Gerüchte, dass hier eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung entstehen soll, gibt es in Zossen schon seit Wochen. Angeblich räumen die Mitarbeiter mehrerer Behörden bereits ihre Schreibtische.“

Die Bürgerinitiative hat deshalb Anfang vergangener Woche einen Brief an den Innenminister geschrieben. Darin heißt es, dass die Diskussion unter den Bürgern wegen der Gerüchte „einen zunehmend populistischen und fremdenfeindlichen Charakter“ angenommen habe. Auch aufgrund ihrer Erfahrungen bittet die Initiative, die Bürger frühzeitig zu informieren. „Nichts stößt auf mehr Ablehnung als Intransparenz“, heißt es.

Dieses Jahr erwartet das Land 9200 Asylbewerber

„Ohne Informationen müssen wir den Rechten das Feld überlassen“, sagt Jörg Wanke. Der Sprecher ist überzeugt, dass Schröter auch wegen des Briefes endlich seine Pläne öffentlich gemacht hat. Die Notwendigkeit einer weiteren Erstaufnahmestätte begründet der Innenminister mit den weiter steigenden Flüchtlingszahlen. Schon in diesem Jahr erwartet das Land demnach 9200 Asylbewerber, vor zwei Jahren waren es 3300. Und die Zentrale Erstaufnahmestätte in Eisenhüttenstadt (ZAST) ist überfüllt.

Dort werden Flüchtlinge nach der Ankunft im Land einige Wochen lang untergebracht, ehe sie auf die Landkreise verteilt werden. Zwar sind bereits Außenstellen eingerichtet worden oder in Planung, etwa in Ferch bei Potsdam oder in einer früheren Bundeswehrkaserne in Doberlug-Kirchhain. Auch dort gab es übrigens heftige Kritik an der schlechten, weil späten Informationspolitik. Aber diese Außenstellen reichen nicht aus und sind zu klein, sagt der Innenminister: „Wir benötigen für die Erstaufnahme auch größere Einrichtungen, weil sich die notwendigen Abläufe bei der Antragstellung, der medizinischen Untersuchung und der Versorgung der Menschen sonst nicht sinnvoll gestalten lassen.“ Daher geriet der Wünsdorfer Behördenkomplex ins Blickfeld.

Schilder der Sowjetarmee erinnern an die Vergangenheit.
Schilder der Sowjetarmee erinnern an die Vergangenheit.

© Thilo Rückeis

Regierungsbehörden müssten umziehen

Schröter hatte Zossens Bürgermeisterin Michaela Schreiber von der Wählerinitiative Plan B angeblich letzte Woche über die eingeleiteten Prüfungen informiert. Wenn diese, voraussichtlich in einigen Wochen, abgeschlossen seien, solle es eine Anwohnerversammlung geben. Konkret geht es um den so genannten „Verwaltungskomplex B“ in der Hauptallee der Waldstadt Wünsdorf, einem weiträumigen Areal, das bis 1945 Sitz des Heereskommandos der deutschen Wehrmacht war und dann bis 1994 das Oberkommando der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte beherbergte.

35.000 Soldaten und ihre Familien lebten damals in „Klein Moskau“, wie es im Volksmund hieß. Danach wollte der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) daraus ein Behördenzentrum und Wohngebiet machen, was kaum gelang. In den jetzt für die Flüchtlingsunterkunft vorgesehenen Gebäuden sitzen bisher unter anderem der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes und der Landesbetrieb für Straßenwesen.

Neue Außenstelle soll 1200 Plätze haben

Nach den Planungen könnten in der neuen Außenstelle ab Anfang 2016 etwa 500 Menschen untergebracht werden. Bis Mitte 2017 könnte der Ausbau für etwa 1200 Plätze abgeschlossen sein. Allerdings sind dafür Umbauten und der Umzug der Landesbehörden nach Zossen erforderlich. Mit Spannung wird auch erwartet, wie Zossens Bürgermeisterin, um deren Führungsstil es seit Jahren Konflikte gibt, mit den Plänen und möglichen Bevölkerungsprotesten umgeht.

Die mittlerweile rund 50 Mitstreiter der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ haben dem Innenminister ihre Unterstützung angeboten. „Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn die neue Aufnahmestelle nicht so weit von Berlin entfernt ist“, sagt Jörg Wanke. „Eine anständige Infrastruktur gibt es auch und die Flüchtlinge ziehen ja nicht in alte, marode Kasernen. Im Gegenteil: die Gebäude sind sehr solide und nachhaltig saniert.“ Allerdings funktioniere das nur mit einer ehrlichen und offensiven Informationspolitik.

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