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Auch das Herzzentrum steht nun in der Kritik, weil meldepflichtige Serratien-Infektionen verschwiegen worden sein sollen.

© dapd, dpa

Update

Serratia-Infektionen: Auch das Herzzentrum verschwieg meldepflichtige Infektionen

Herzzentrum gibt erst jetzt weitere Fälle von Belastungen mit Darmkeimen zu. Das Gesundheitsamt Mitte sieht die Meldepflicht verletzt und prüft ein Bußgeldverfahren.

Der verstorbene Säugling hat sich wahrscheinlich erst im Herzzentrum mit dem Darmkeim infiziert. Das Neugeborene sei vor der Verlegung vom Campus Virchow der Charité in das Herzzentrum keimfrei gewesen, sagte die Leiterin des Gesundheitsamtes Mitte, Anke Elvers-Schreiber, am Freitag. Das habe eine Blutuntersuchung ergeben. Das Herzzentrum wollte sich mit Verweis auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht zu den Vorwürfen äußern.

Laut Gesundheitsamt, das zugleich Aufsichtsbehörde ist, hat das Herzzentrum erst am 24. Oktober vier Infektionsfälle und einen Fall von Besiedlung mit Darmkeimen gemeldet, die schon ab Mitte September aufgetreten seien. Damit habe neben der Charité auch das Herzzentrum gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen. Der Bezirk Mitte will über Bußgeldforderungen beraten.

Die Herkunft der Keime im Herzzentrum wird von sogenannten Ausbruchteams ermittelt. Nicht auszuschließen sei, dass es einen weiteren Infektionsherd gebe, sagte Elvers-Schreiber. Da die im Herzzentrum gefundenen Keime mit denen in der Charité genetisch übereinstimmen, ist aber wahrscheinlicher, dass die Infektionen aus einer einzigen Quelle stammen. Eine Infektion in der Charité sei bereits im Juli aufgetreten. Der Chef des Uniklinikums, Karl Max Einhäupl, wies gegenüber der Nachrichtenagentur dpa die Vorwürfe zurück, die Gesundheitsbehörden seien zu spät informiert worden. Laut Einhäupl wurden zwei Infektionen am 8. Oktober nachgewiesen. Die Erkrankung von zwei Personen an demselben Keim gilt als Ausbruch. Am nächsten Morgen sei der Amtsarzt informiert worden. Am 20. Oktober wurden die Fälle öffentlich.

Die Staatsanwaltschaft prüft weiter, ob das bereits bestattete Neugeborene für eine Obduktion exhumiert werden soll. Allerdings ist unklar, ob die genaue Todesursache überhaupt ermittelt werden kann. Der Ablauf der Ereignisse im Fall des verstorbenen Säuglings stellt sich laut Gesundheitsamt Mitte anders dar als bisher bekannt: Der Säugling sei schon in der Charité positiv auf den Serratia-Keim getestet worden – anders als von der Charité bisher dargestellt. Daraufhin wurde das Neugeborene mit Antibiotika behandelt. Vor der Einweisung ins Herzzentrum sei ein weiterer Bluttest genommen worden. Bei dessen Auswertung wurde der Keim nicht mehr nachgewiesen. Die Auswertung dauert fünf bis sechs Tage, nach Tagesspiegel-Informationen wurde das Neugeborene aber schon vier Tage nach dem Bluttest ins Herzzentrum verlegt, denn es hatte einen schweren Herzfehler und musste dringend notoperiert werden. Am 2. Oktober wurde operiert, am 4. Oktober hatte das Kind Fieber, daraufhin wurde es erneut auf Keimbefall getestet. Am 5. Oktober starb das Kind. Erst am 10. Oktober habe das Testergebnis vorgelegen. Demnach war das Kind mit dem Darmkeim infiziert.

Die Charité wies die Darstellung des Gesundheitsamtes entschieden zurück. Bei dem später verstorbenen Kind seien in der Charité auf der Haut, im Blut und in Sekreten zu keiner Zeit Serratienkeime gefunden worden, so sei es auch nicht mit Antibiotika behandelt worden.

Herzzentrum und Charité müssen jetzt täglich dem Gesundheitsamt über neue Erkenntnisse berichten. Im Bezirksamt wurde ein Krisenstab gebildet. Im Oktober sollte die jährliche Begehung der Charité zur Prüfung der Hygienepraxis stattfinden, wegen der Vorfälle sei die Begehung verschoben worden.

Unterdessen musste am Freitag in der Charité ein schwer krankes Frühgeborenes, das mit den Serratien-Keimen besiedelt ist, wegen eines schweren angeborenen Herzfehlers operiert werden. Die Operation nahm ein Team des Herzzentrums vor. Infolge des Herzfehlers war die unterentwickelte Lunge stark mit Flüssigkeit gefüllt und konnte nicht genug Sauerstoff aufnehmen, sagt Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité. Der Patient sei sehr klein und schwach und könne deshalb nicht an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden. Um dem Kind den Transport zu ersparen, wurde der Eingriff direkt auf der neonatologischen Intensivstation des Universitätsklinikums durchgeführt. Das Kind wog bei seiner Geburt vor einem Monat 850 Gramm und ist eines der 15 Kinder auf der Charité-Frühchenstation, die von einem Keimen besiedelt wurden.

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