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Spitzen der City West. In der Mitte die Gedächtniskirche, daneben das 119 Meter hohe Zoofenster.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Gedächtniskirche: Auch der Glockenturm ist marode

Die Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz wird im Sommer enthüllt, der Turm daneben aber verpackt. Wie lange er verkleidet bleibt, ist ungewiss. Bei der Kapelle weiß man es genauer.

Berlin ohne Baugerüste an exponiertem Ort – man kann es sich nicht mehr vorstellen. Zum Beispiel an der Gedächtniskirche: Seit Jahr und Tag ist die alte Ruine verhüllt, wird zwar allmählich wieder sichtbar, aber viel langsamer als erwartet und angekündigt – immer neue Bauschäden sind aufgetaucht, das dauert, aber im Hochsommer, so ließ Pfarrer Martin Germer am Mittwoch wissen, ist der berühmte Kirchenstumpf wieder komplett zu sehen. Das war die gute Nachricht.

Die schlechte, jedenfalls was das Stadtbild betrifft, darf da nicht fehlen. Ab Mai, parallel zur Demontage nebenan, wird ein Gerüst am Glockenturm, dem Langen Kerl des Eiermann-Ensembles, in die Höhe wachsen und den 53-Meter-Turm, frei nach Christo, komplett einhüllen. Dauer des Projekts: ungewiss.

Betonbrocken und Rostspuren

Den Anstoß gab ein Betonbrocken, vielleicht 25 Zentimeter lang, mit Rostspuren, wo einst das Armierungseisen saß. Im Frühjahr 2013 wurde er unter dem Turm gefunden, die Gemeindeleitung war alarmiert, schickte Kletterer hoch, die überall herumpickelten, lockere Teile lösten, genug, um damit zwei Wannen zu füllen. Besonders im oberen Teil, wo Klangöffnungen den Glockentönen den Weg nach draußen frei halten, ist der Beton teilweise marode, man hat ihn wohl, als der Turm Anfang der sechziger Jahre entstand, ein wenig überschätzt – ein Baufehler, wie man heute weiß.

Das Gerüst, das am alten Turm ab- und am neuen gleich wieder aufgebaut wird, soll nun der Sicherheit der Passanten dienen und Bauexperten erlauben, sich die Schäden in Ruhe anzusehen und über mögliche Lösungen nachzusinnen. Die Hülle kostet erst mal nichts: Uwe Tisch, der Gerüstbauer, stellt sie für die Zeit der Untersuchungen gratis zur Verfügung. Und auch die Baustudie, die neben dem Zustand und den Heilmitteln vor allem auch die Kosten der Turmreparatur ermitteln soll, ist finanziell gesichert: Die Wüstenrot-Stiftung, spezialisiert auf Sanierungen neuerer Baudenkmale, stellt dafür rund 100 000 Euro zur Verfügung. Man erhofft sich von der Turmstudie ohnehin Erkenntnisse, die auch anderswo Anwendung finden könnten, sagte Geschäftsführer Philip Kurz. Es wird dann die bereits fünfte Sanierung der Eiermann-Bauten sein, die letzte liegt 15 Jahre zurück, was aber kein Indiz für Pfusch sein soll. Soweit man es überblickt, wurde immer nach dem aktuellen Stand der Technik saniert.

Zwischen Kriegsruine und Europacenter

Erste Erkenntnisse zum Glockenturm sind bereits in eine Machbarkeitsstudie eingeflossen, die sich in der Hauptsache aber mit einem Bauwerk im Schatten des Glockenturms beschäftigt: der Kapelle der Gedächtniskirche, dem rechteckigen Flachbau zwischen Kriegsruine und Europacenter, genutzt für kleinere Gottesdienste, Taufen, Trauungen, Vorträge oder auch Chorproben, samt Orgel und kleinem Altar, den eine Bleistiftzeichnung des Gekreuzigten von Ernst Barlach mit dem Datum 15. Mai 1915 ziert. Ein bauliches Kleinod, weitgehend original erhalten, aber in die Jahre gekommen und ebenfalls reparaturbedürftig.

Ein Ort der Stille, dazu von einem handtuchschmalen, durch die äußere Wand von außen kaum sichtbaren Garten umgeben, von dem man aber auch innen nicht mehr sehr viel sieht. Ein paar kümmerliche Bambussträucher, mehr schädlich durch ihr wucherndes Wurzelwerk als eine Zierde – sie werden die Arbeiten dort nicht überleben, wenn auch noch nicht entschieden ist, wie der Grüngürtel aussehen wird.

Die Arbeiten am Bau beschrieb Architekt Steffen Obermann so: Erhalten stehe im Vordergrund, der ursprüngliche Charakter solle bleiben, kurz: Man werde vielleicht kaum etwas sehen. Aber das Holzraster der Außenmauer muss doch teilweise ersetzt, Eisenteile müssen entrostet und gestrichen, die Betonwaben repariert werden. Auch eine zweite Toilette gehört zum Plan, vor allem aber eine neue Lüftung. Kostenpunkt: 1,4 Millionen Euro, bezahlt von der Wüstenrot-Stiftung. In diesem Jahr wird noch geplant, im kommenden dann repariert.

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