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Berlin: Auf der Welt geht’s rund

Wie Tagesspiegel-Kolumnist Wolfram Eilenberger im Salon vom Kleinen aufs Große schloss

Um Fußball, Vorstellungsgespräche, Hebammen und Kaffeeflecken drehen sich Wolfram Eilenbergers Gedanken. Eigentlich nichts Besonderes für einen verheirateten Mann Anfang 30. Doch für den Tagesspiegel-Kolumnisten sind die alltäglichen Themen Ausgangspunkte fürs Philosophieren. Sieht er zum Beispiel Hebamme Antje aus Friedrichshain bei der Vorsorgeuntersuchung seiner schwangeren Frau, denkt er sofort an Sokrates: Bei „geistig Schwangeren“ leistete der antike Philosoph oft „Geburtshilfe“, Gedanken und Theorien erblickten so das Licht der Welt. Und wenn Eilenberger auf dem Hemd eines jungen Mannes in der U-Bahn einen Fleck erspäht, führt ihn das fast in eine Gewissenskrise: Soll er den Mann darauf aufmerksam machen? Und sich bei der Entscheidung vielleicht an Kants Moralphilosophie halten, indem er ein „allgemeines moralisches Fleckenhinweisgesetz“ ableitet?

Wolfram Eilenberger hat seine philosophischen Gedanken-Spaziergänge aufgeschrieben und veröffentlicht: „Philosophie für alle, die noch etwas vorhaben“ (Berlin Verlag) heißt sein Buch. Bei einer Lesung im Löwenpalais im Grunewald versuchte der Alltagsphilosoph jetzt, Tagesspiegel-Leser vom philosophischen Potenzial eines Kaffeeflecks zu überzeugen. Dazu servierte Birgitt Claus mit ihren literarischen Köchen von „Eßkultur“ ein philosophisches Linsengericht nach antikem Rezept. Eilenbergers Alltagsphilosophie kam an: „Ich mache mir selbst auch manchmal ähnliche Gedanken“, sagte Zuhörerin Monika Rüster in der Pause. „Neulich habe ich zum Beispiel lange mit mir gerungen, ob ich jemanden auf seine Schweißfüße aufmerksam machen sollte oder nicht.“ So viel Verständnis ist Eilenberger sonst nicht gewöhnt: „Während meines Studiums haben mich dauernd Leute mit süßlichem Grinsen gefragt, wozu Philosophie nützlich sei“, sagte er bei der Diskussion nach der Lesung. Dabei mache Philosophie das Leben doch viel interessanter. „Als wir uns kennen lernten und du dich als Philosoph vorgestellt hast, dachte ich auch erstmal: ,Oha‘“, gab Tagesspiegel-Autor Helmut Schümann zu, der den Abend moderierte. Trotzdem ließ er sich überzeugen, dem Philosophen einen Platz für dessen Fußballkolumne einzuräumen. Fußball sei eine Art Sucht für ihn, erklärte Eilenberger. „Und mit der Kolumne versuche ich zu klären, warum es mich immer wieder zu Fußballspielen treibt.“ Ein Buch ist daraus auch schon geworden: „Lob des Tores“ (Berliner Taschenbuch Verlag).

Bei seinem nächsten Buch soll es weder um Fußball noch um Kaffeeflecken gehen, sondern um das Meer und was es für die Menschen bedeutet. Dieser Plan sagte Zuhörer Bertram Bleiming ganz besonders zu. „Ich bin der ideale Kunde für Herrn Eilenberger“ sagte er und erzählte, er sei Fußballfan, Philosophielehrer und Segler. Demnächst will er eine von Eilenbergers Geschichten im Philosophie-Unterricht verwenden. Und? Hat er durch die Lesung eine besondere Lebensweisheit gelernt, sozusagen ein „allgemeines moralisches Eilenbergergesetz“? Nicht direkt. Aber immerhin hat er aus der Diskussion zwischen Schümann und Eilenberger gelernt, dass der französische Philosoph Albert Camus in jungen Jahren Torwart war.

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