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Auf Deutsch gesagt: Dem Protest sei Dank

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker, 60 Jahre Grundgesetz und 20 Jahre Fall der Mauer.

In diesem Jahr ist allerhand zu feiern: 60 Jahre Bundesrepublik, 20 Jahre Fall der Mauer. Den 60. Jahrestag des Endes der Blockade haben wir bereits am 12. Mai begangen, und gestern vor 60 Jahren wurde das Grundgesetz verkündet. Mit einem Entschließungsantrag haben die Grünen kürzlich im Abgeordnetenhaus auch die denkwürdigen Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 in der DDR in Erinnerung gerufen.

Das las sich so: „Das Berliner Abgeordnetenhaus dankt anlässlich des 20. Jahrestages der letzten DDR- Kommunalwahlen dem couragierten Protest von BürgerrechtlerInnen und RegimekritikerInnen im Vorfeld und im Nachgang der Wahlen am 7. Mai 1989 und würdigt ihn als Meilenstein auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung.“

Schön und gut, aber warum danken sie dem Protest und nicht den Menschen, die gegen die Wahlfälschungen opponierten? Das kann nur mit der sprachlichen Unsitte auch unserer Politiker zu tun haben, Subjekt und Objekt zu verwechseln. Dem Protest kann man nicht danken, höchstens für den Protest. Dank sei also den Regimekritikern, die zur Einheitswerdung beitrugen.

Wie leicht man sich sprachlich vergaloppieren kann, zeigt auch folgender Passus im Resolutionsantrag der Grünen: „In den Wahlräumen stand oft gar keine Wahlkabine, weil bereits das Betreten einer Wahlkabine als subversiv oder ,staatsfeindlich’ angesehen wurde. Niemand wusste eigentlich genau, wie ein Wahlzettel aussehen musste, der gegen den Vorschlag gerichtet war. Ob alle Namen einzeln oder der gesamte Wahlzettel durchgestrichen werden musste, war umstritten.“

Du liebe Güte, nur Kenner begreifen, was mit dieser holprigen Umschreibung gesagt werden soll. Was ist denn das für ein seltsamer Wahlzettel, der gegen einen Vorschlag gerichtet ist? Solche Wahlzettel gibt es auch nicht bei uns, wo der Wähler die Wahl hat zwischen Parteien beziehungsweise Kandidaten. In dem Antrag ist die in der DDR vorgeschriebene Vorschlagsliste der Nationalen Front gemeint, mithin der SED samt Blockparteien.

Ach, die Grünen haben es mit der Würdigung der mutigen Opponenten gut gemeint, aber gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.

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