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Auf Deutsch gesagt: Die besten Blüten aus fünf Jahren

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker.

Nach jeder Wahl wollen Politiker, „den Vertrauensvorschuss der Wähler umsetzen“. Fragt sich nur, wie man einen Vorschuss umsetzt. Jedenfalls werden Pläne zuerst „angedacht“ und „andiskutiert“, dann „abgewägt“ (abgewogen) und „juristisch abgetestet“. Mitunter werden „zufriedene Lösungen“ (befriedigende) „in Konsenzen“ (im Konsens) beschlossen.

Nur nach Meinung der Opposition tut die Regierung „wider besseren Wissens“ (wider besseres Wissen) stets das Falsche oder „entgegen ihrer Versprechen“ (ihren) gar nichts, statt „gemäß ihrer Pflichten“ (ihren) zu handeln. Folglich „wird der Reformbedarf nicht aufgelöst“. Ach was, „verantwortlich“ sind die Politik und die Gesetze. Und das hört sich dann so an: „Unser Parteitagsbeschluss fordert ...“ – „Eine bürgernahe Politik respektiert die Freiheit der Verkehrsmittel.“ – „Ein senatsbeauftragtes Gutachten hat festgestellt ...“ – „Das Schulgesetz formuliert die integrative Beschulung und fördert die Bildungschancen.“ – „Die neue Schulstruktur schafft die Hauptschule ab.“

„Besonders schwierig“ (schwer) haben es Kinder „bildungsferner Schichten“, womöglich „mit Migrationshintergrund“. Ihre „Sprachkompetenz ist zu verbessern.“ Freizeitsport sorgt für „kriminalitätsferne Beschäftigungen“ Jugendlicher. Es soll gar Kinder geben, die „ungefrühstückt“ zur Schule gehen. Manche Familie braucht „aufsuchende Hilfe“. Man muss „Lösungsstrategien anbieten“.

Schlimm, wenn „der Sozialstaat geschliffen“ (geschleift) wird, wenn „Verbraucher in falscher Sicherheit gewogen“ (gewiegt) werden. Das weiß doch, „genderpolitisch“ gesagt, „jedermann und jederfrau“. Irgendein Gleichstellungspolitiker hat auch „die VertrauensanwältIn“, diesen seltsamen Zwitter mit dem großen I, erfunden.

Die „Bibliotheken gewährleisten das Grundrecht auf Freiheit von Information und Meinungsbildung.“ Irrtum, niemand will von diesem Recht „befreit“ werden. Doch keine Sorge, gemeint ist das Gegenteil, nämlich das Recht auf Freiheit der Information und Meinungsbildung.

Genug der Beispiele aus dem täglichen Sprachgebrauch nicht aller, aber vieler Politiker. Auf Deutsch gesagt: grauenvoll. Dies war noch einmal eine kleine Blütenlese aus den fünf Jahren, in denen an dieser Stelle grobe grammatische Fehler zurechtgerückt, schiefe Metaphern, sprachlicher Nonsens und geschwollenes Nichts glossiert wurden.

Den Lesern des Tagesspiegels sei für das breite Echo herzlich gedankt, für die vielen Anmerkungen und Anregungen, ja und für zahlreiche kritische Hinweise auf peinliche Sprachschludereien in den Medien. Damit endet nun diese Serie unserer Sprachkritik. Hoffen wir alle, dass sie dazu beigetragen hat, das Bewusstsein für das Kulturgut Sprache zu schärfen.

Die Autorin war bis 2003 landespolitische Korrespondentin beim Tagesspiegel. Vier Jahrzehnte lang begleitete sie das politische Leben Berlins – und wurde zu einer journalistischen Institution. Brigitte Grunert wird auch künftig weiter für den Tagesspiegel schreiben.

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