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Berlin: AUF DEUTSCH GESAGT Hochgestochener Unsinn

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Wenn Politiker reden, dann drücken sie sich manchmal um klare Worte. Wie Politiker sprechen, und was sie wirklich meinen – das lesen Sie hier alle zwei Wochen von Brigitte Grunert.

Radio muss man hören. Wer Radio hört, kann Sprachverderber im OTon hören. Die Vorsitzende des Deutschen Mieterbundes plädierte dafür, mehr Fördermittel der öffentlichen Hand in die Pflege des Wohnungsbestandes zu stecken und dafür weniger in den Eigenheimbau. Viele junge Leute, so Anke Fuchs, fühlten sich nämlich mitten in der Großstadt wohler als im Grünen. Allerdings müssten sie auch selbst „ihre finanziellen Ressourcen in diese Richtung lenken“.

Vermutlich wollte Frau Fuchs damit sagen, dass komfortable Wohnungen nicht billig zu haben sind. Aber das wäre keine angenehme Botschaft, daher wohl die verbale Verrenkung. Auch der Bundeskanzler griff zum verschleiernden Modewort. „Unsere Ressourcen sind angespannt“, hörte ich ihn im Rundfunk die begrenzte Beteiligung der Bundeswehr an der Kongo-Hilfe begründen. Gerhard Schröder hätte auch sagen können: Wir haben kein Geld. Doch das hätte sich schrecklich plump angehört, undiplomatisch und knickerig.

Unter Ressourcen – das Wort ist französischer Herkunft – versteht man Erwerbs-, Rohstoff- und Geldquellen, auch Hilfsmittel. Deshalb ist in der Umweltpolitik zu Recht von den natürlichen Ressourcen die Rede. Aber die Ressourcen sind zur sprachlichen Manie geworden. Wir haben es mit personellen Ressourcen zu tun, was so grauslich klingt wie Menschenmaterial. Wer sich zu viel zumutet, erschöpft nicht mehr seine Kräfte, sondern seine gesundheitlichen Ressourcen. Und wie jemand seine Erwerbsquellen, also das Einkommen, in die Richtung einer höheren Miete lenkt, muss man sich auch mal bildlich vorstellen. So hochgestochen kann Unsinn sein. Man muss es sich nur klar machen.

Kompetenz ist auch so ein Modewort. Wer kompetent ist, weiß, wovon er redet, er ist im Bilde. Preisfrage: Wie sollen Kinder die richtige „Sprachkompetenz“ erwerben, wenn Erwachsene den farbigen Wortschatz vor lauter fachkompetener Drechselei verlernt haben? Oder wider besseres Wissen und entgegen allem Verstand gedankenlos mit der Sprache schludern? Neudeutsch hört man natürlich: wider besseren Wissens und entgegen allen Verstandes. Der falsche Genitiv macht schlechte Mode. Lange her, dass ich in der Dorfschule gelernt habe: Durch, für, ohne, um, sonder, gegen, wider schreibe mit dem vierten Falle nieder. Und dass entgegen immer mit dem Dativ gebraucht wird. Entgegen der Mode (hier ist der Dativ gemeint, denn die Mode ist weiblich) wäre es gut, das Deklinieren zu üben.

Nun hörte ich im Autoradio einen Berliner Schulleiter über das erfolgreiche Konzept seiner Gesamtschule reden, die als Vorzeige-Schule gilt. Er erzählte vom hervorragenden Zusammenwirken von Lehrern und Sozialpädagogen. Und dann kam der Satz, bei dem ich so erschrak, dass ich beinahe gegen einen Baum gefahren wäre. „Es werden Erziehungsprozesse bearbeitet“, sagte er, und zwar „mit hoher Betreuungsdichte“. Verstanden habe ich nur, dass diese Schule offenbar genügend Lehrer hat, pardon, über ausreichend personelle Ressourcen verfügt. Aber was hat es nur mit der Bearbeitung von Erziehungsprozessen auf sich? Hoffentlich, dachte ich mir, reden die Pädagogen mit ihren Schützlingen anders. Sonst wären die Kinder auch bei idealer „Betreuungsdichte“ so arm dran, dass man sich über gar nichts mehr zu wundern brauchte.

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