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Auf Deutsch gesagt: Möglichst positiv

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Der Mensch soll positiv denken, na klar. Man muss sich die Welt ja nicht gleich in den rosigsten Farben malen, aber wer immer bloß schwarz sieht, dem verdüstert sie sich so, dass jede Initiative gelähmt wird. Unsere Politiker wissen das natürlich auch und beherzigen das. Nicht nur in Wahlkampfzeiten verschonen sie die Bürger möglichst mit negativen Botschaften, mal abgesehen von der üblichen Schwarz-Weiß-Malerei in der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition.

Also auf das Positive kommt es an; das haben Politik und Wirtschaft verinnerlicht. Wenn jedoch eine Hiobsbotschaft gar nicht zu vermeiden ist, wird sie wenigstens schonend verpackt. In den Rundfunknachrichten hörte ich nach dem jüngsten Zwischenfall im Kernkraftwerk Krümmel, als es nach dem Ausfall eines Transformators zur Schnellabschaltung kam, der Energieerzeuger Vattenfall habe von einem „Rückschlag für die Sicherheitskultur“ gesprochen. Das klingt doch nicht gar so schlimm, nicht wahr.

Positiv: Mit diesem Wort wird etwas Erfreuliches ausgedrückt, etwas Bejahendes, Optimismus. Die Vokabel „positiv“ ist häufig in den Reden unserer Politiker zu hören, ganz egal, ob sie gerade passt oder nicht. So bemängelte Franziska Eichstädt-Bohlig, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, in einer Parlamentsdebatte über die Lage der Stadt, der Senat habe wirtschaftspolitische Fehler gemacht, „statt sich für eine moderne Wirtschaftsentwicklung auch positiv einzusetzen“. Ja, kann man sich etwa negativ für etwas einsetzen?

Nun könnte man den kleinen Sprachschnitzer für einen Versprecher halten und darüber hinweghören, denn es soll vorkommen, dass sich jemand verhaspelt. Nur sind derartige „Versprecher“ mittlerweile gang und gäbe. Zum Beispiel betonte kürzlich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vor dem Abgeordnetenhaus zum drohenden Abriss der beiden Boulevard-Bühnen „Theater am Kurfürstendamm“ und „Komödie“, der Senat habe „positiv die Bühnen und die Familie Wölffer unterstützt“.

Na, negativ hat er garantiert noch nie irgendetwas unterstützt, Hilfe ist schließlich immer etwas Positives. Köstlich, diese sprachlich doppelt gemoppelte Unterstützung. Wer sich mit ganzer Kraft für etwas einsetzt, auf Besserung hinwirkt, helfend eingreift, hat eben Gutes im Sinn, was denn sonst? Ist der Einsatz vergeblich, können die Folgen sogar negativ sein, doch das Motiv bleibt positiv.

Neuerdings gibt es auch Leute, die behaupten, sich gegen etwas einzusetzen, etwa gegen den weiteren Bau der Autobahn. Irrtum, in Wirklichkeit wenden sie sich damit gegen Dinge, die ihnen nicht gefallen. Man kann gegen den Autobahnbau sein, man kann sich dafür einsetzen, dass dieser unterbleibt, aber man kann sich nicht gegen den Autobahnbau einsetzen, ebenso wenig wie „positiv“ dafür. Ach, sie sollen nicht so dick auftragen, ob positiv oder negativ.

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